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Das Tibetprojekt

Titel: Das Tibetprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Kahn
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ich ihn haben wollte, dachte Li Mai. Dann kam die nächste Zeile.
    I don’t know what your name is,
    I don’t know what your game is
    But I want you tonight
    Verdammt!
Er war also doch irgendwie misstrauisch. Wahrscheinlich war er es bei seinem Geld gewohnt, dass Frauen mit Hintergedanken
     in sein Schlafzimmer wollten. Sie hatte ihn unterschätzt. Aber weiterspielen wollte er trotzdem. Er liebte wohl die Gefahr.
    »Rockmusik hat was, findest du nicht?« Er sah sie mit einem Blick an, wie sie ihn noch nie bei einem Mann gesehen hatte. Warnung
     und Verführung zugleich. Dann kam der Refrain:
    I’m a love hungry man.
    Dabei stieß er mit ihr an und sagte mit leiser Aufforderung: »Chee-ers!«
    Sie tranken und blickten sich dabei fest in die Augen; wie zwei zum Sprung bereite Tiere. Es war nur noch nicht entschieden,
     ob es zur Paarung oder zum Kampf kommen sollte. Li Mai bekam weiche Knie, ihre Sinne waren vernebelt. Sie konnte sich dem
     berauschenden Ambiente des Luxus, der Musik und Deckers Ausstrahlung nicht mehr entziehen.
Wie ist es wohl bei Rockmusik?,
dachte sie. Für einen Moment vergaß sie ihren Auftrag und driftete innerlich ab. Textfragmente der Musik wie |61|
animal love
drangen in sie ein und lösten indiskrete Fantasien aus, deren Erfüllung das edle Mobiliar erheblich in Mitleidenschaft ziehen
     würde   ...
    Die Sekunden verstrichen. Dann brachte sie eine Berührung zurück und zur Besinnung. Decker stellte sein Glas ab, nahm sie
     dezent an der Hüfte und führte sie in die Bibliothek. Er spürte, wie die Chinesin sich an ihn schmiegte, genoss den Augenblick
     und ließ sich Zeit für das, was jetzt kommen würde.
    »Glaubst du, heute Abend wird ein Nachspiel haben?«, fragte er. »Die ganze politische Haute Volée war schließlich da, und
     einige waren vielleicht
not amused,
uns zusammen tanzen zu sehen.«
    »Das geht niemanden etwas an.«
    »Bist du sicher, dass die anwesenden Diplomaten das auch so sehen?«
    »Wen interessiert das?« Sie lachte, drehte sich langsam in seinem Arm zu ihm hin und legte ihre zarten Hände in seinen Nacken.
     Sie wollte nicht mehr warten. Und sie war sich auch nicht mehr sicher, ob sie es nur für China tat.
    Decker sah sie an und legte dann den zweiten Arm sanft um ihre Schultern. Wieder kamen sie sich näher. Wieder hielten sie
     einen Moment lang inne. Dann schloss sie die Augen und öffnete leicht ihren Mund. Sie spürten bereits den Atem des anderen   ... da klingelte das Telefon.
    Er zögerte, wollte es offenbar ignorieren. Li Mai war für einen Moment geneigt, ihn darin zu bestärken. Aber sie ahnte, wer
     es sein könnte – und der Job ging vor. »Willst du nicht rangehen?«
    Decker überlegte eine Sekunde, ließ sie dann los, ging zum Telefon und sagte verärgert: »Hallo?«
    »Dr.   Decker, entschuldigen Sie. Hier ist die Rezeption   ...«
    |62| »Was soll das?«, fragte Decker. Er hatte Mühe, sich zu beherrschen.
    »Es tut mir leid. Aber hier ist jemand, der sie unbedingt sprechen möchte.«
    »Ich bin sicher, das kann warten.«
    »Das habe ich auch gesagt, aber ich denke, in diesem Fall verzeihen Sie mir, wenn ich dennoch anrufe.«
    »Schmeißen Sie ihn raus. Egal, wer es ist.«
    »Das würden wir ja machen, aber er wedelt hier mit einem Ausweis rum, der uns das verbietet.«
    »Wer zum Teufel   ...?«, sagte Decker in den Hörer, wurde aber offenbar unterbrochen.
    »Herr Doktor, es ist   ...«
    Decker konnte es kaum fassen und blickte zu Li Mai herüber, als der Portier hinzufügte: »Er ist schon auf dem Weg zu Ihnen.«
     
    Decker legte auf und sah Li Mai an. »Ich glaube, du hast dich in der Einschätzung deiner Kollegen getäuscht. Wir kriegen unerwartet
     hohen Besuch.« Er nahm die Flasche Bollinger und ging Richtung Bar. »Ich fürchte, wir müssen den Champagner später trinken.«
    »Wer will uns denn daran hindern?«, fragte sie.
    Decker sagte halb lachend, halb kopfschüttelnd: »Der deutsche Botschafter aus Peking.«

|63| 4
    Wittenstein und Stahlmann hatten einen langen Flug hinter sich. Jetzt standen die beiden in dem gläsernen Aufzug auf dem Weg
     zu ihrem Treffen mit diesem Doktor Decker, den der chinesische Geheimdienstchef ihnen empfohlen hatte. Der
Butler
blickte verächtlich auf die Lichter der nächtlichen Stadt und dachte an die Fahrt hierhin zurück.
    Ein Taxi hatte sie vom Flughafen in die Frankfurter City gebracht. Als sie die Stadtgrenze passierten, sagte der türkische
     Taxifahrer: »Willkommen in der

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