Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Tibetprojekt

Titel: Das Tibetprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Kahn
Vom Netzwerk:
schlecht. Da kann ich auch nichts machen.«
    Decker besann sich. »Dann müssen wir mit dem arbeiten, was wir haben.« Er dachte nach. »Du könntest etwas für mich tun. Ich
     habe gerade erfahren, dass es in Tibet einen englischen Botschafter gab in der Zeit vor und während der Invasion. Wenn der
     noch lebt, würde ich gern mit ihm sprechen.«
    »Ich kümmere mich darum.«
    Decker sammelte seine Zettel und ging die Reihen der Bücher ab. Er wollte die Aussagen des Generals überprüfen und nahm sämtliche
     Bücher dazu aus dem Regal. Er suchte sich einen Arbeitsplatz und stapelte die Werke um sich herum. Dann vertiefte er sich
     in die Lektüre.
    Nach zwei Stunden brachte Li Mai frischen Tee, und Decker sagte: »Der General hatte recht.«
    Li Mai nickte, ohne zu fragen.
    Drei Stunden später saß Decker immer noch da. Er starrte auf seinen Zettel mit den Gesprächsnotizen. Statt Antworten hatte
     er noch mehr Fragen:
     
    Was ist das für eine alte Religion?
    Woher kommt der Orden der Dalai Lamas?
    Wo liegt der Tempel des Schreckens?
    Was können die Nazis gewusst haben?

|172| 13
    Die zwei Fremden saßen auf der Terrasse eines kleinen Lokals irgendwo tief in einem der letzten Hutongs, einem Labyrinth aus
     engen Gassen, wie sie früher die gesamte Pekinger Altstadt bestimmten. Um sie herum verliefen die niedrigen Backsteinbauten
     eines klassischen Wohnhofes. Von allen vier Seiten des Siheyuans, in dem vier Generationen lebten, erklang hinter den klapprigen
     Fensterläden ein lautes Durcheinander aus Stimmen und chinesischer Musik.
    Die Glanzzeiten dieses Restaurants waren lange vorbei, aber dafür lag es gut versteckt weit abseits der typischen Touristenpfade.
     Nur ein verschlungener Weg durch ein Gewirr aus einstöckigen Häusern, zugewucherten Torbögen und verfallenden Mauern führte
     zu diesem Ort. Man saß allerdings recht gemütlich unter einem Dach aus Blättern und mit Fähnchen behangenen Stromkabeln. Meist
     fanden bloß ein paar betagte Einheimische den Weg hierher zum Majongspielen. Die Geräuschkulisse war daher beträchtlich, besonders,
     wenn die Steine gemischt und die Ergebnisse der letzten Runde laut diskutiert wurden.
    Einer der beiden fremden Gäste hatte gerade einen Mongolischen Feuertopf bestellt, und in der Küche war mächtig was los.
    |173| »Ich hoffe, Sie haben nicht Katze oder so was gewählt. Man sagt, die essen hier alles, was vier Beine hat – außer Tische.«
    »Keine Angst. Es wird Ihnen schmecken.«
    »Und was ist das für eine Brühe?« Göritz wischte sich angewidert den Schaum vom Mund.
    »Tsingtao«, brummte Stahlmann. »Chinesisches Bier.«
    Göritz stellte es auf den mittleren Drehtisch für die üblichen vielen kleinen Portionen und bewegte es von sich weg. »Ungenießbar!«
    »Es gibt hier nichts anderes. Aber wenn es Ihnen hilft: Die Brauerei hieß ursprünglich Germania.«
    Göritz hob eine Augenbraue.
    Stahlmann tippte an sein Glas. »Der Laden wurde von deutschen Siedlern 1903 in China gegründet. Sie haben kurz danach in München
     sogar eine Goldmedaille dafür erhalten.«
    »Na, wenn es so ist   ...« Göritz drehte das Glas im Kreis herum zu sich zurück. Dann betrachtete er es kritisch.
    »Ich hätte Ihnen gerne was anderes angeboten, aber ich konnte Sie ja schlecht in die Botschaft einladen. Hier sieht uns wenigstens
     keiner.«
    »Trotzdem. Mir gefällt das alles immer weniger hier«, schnauzte der blonde Killer und nahm zögernd das Glas.
     
    »
Gweilos
– weiße Teufel!«, knurrte der alte chinesische Wirt in der Küche und spuckte ärgerlich in den Wok, wo das Essen für die Barbaren
     brutzelte. Dann beobachtete er die Geistermenschen mit ihrer hellen Haut heimlich durch ein Loch in der Bretterwand. Er verstand
     wirklich nicht, was seine Enkelkinder an diesen Ausländern fanden. Ständig schwärmten sie von McDonald’s und deutschen Autos,
     und wenn sie irgendwo eine Langnase sahen |174| , riefen sie fast automatisch:
»Hello!«
Sogar Englisch lernten sie jetzt in der Schule. Die neue Regierung war wirklich verrückt.
    Stahlmann allerdings war kein Fremder für ihn. Er hatte den steifen Deutschen schon häufiger hier gesehen und wusste, dass
     man sich höheren Orts für ihn interessierte. Er nahm ein funkelnagelneues Mobiltelefon aus einer vermoderten Schublade und
     schaltete es ein. Während er darauf wartete, dass dieses neumodische Gerät das Netz fand, las er
Sony
darauf. Verdammte Japaner! Er wusste nur zu gut, was seine Eltern von

Weitere Kostenlose Bücher