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Das Titanic-Attentat

Das Titanic-Attentat

Titel: Das Titanic-Attentat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Wisnewski
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Ton. Er senkte seinen Revolver und sah dem Jungen direkt in die Augen: ›Um Gottes willen, sei ein Mann!‹, sagte er freundlich. ›Wir müssen Frauen und Kinder retten. Wir müssen an den tieferen Decks anhalten und Frauen und Kinder an Bord nehmen.‹ Der kleine Junge drehte sich um und kletterte ohne ein weiteres Wort über die Brüstung zurück. Er machte einige unsichere Schritte und legte sich dann mit dem Gesicht nach unten neben einem aufgerollten Seil hin. Er wurde nicht gerettet.«(
The San Francisco Call,
2. Juni 1912)
    Frauen und Kinder wurden in Wirklichkeit natürlich auch nicht mehr aufgenommen: »Tatsächlich hielten wir an keinem anderen Deck mehr an, um weitere Frauen und Kinder an Bord zu nehmen« – wobei sich Frau Collyer mit der Bemerkung tröstet, dass es wohl »nicht möglich gewesen« wäre.
    In Wirklichkeit hatte Lowe den Jungen nur hereingelegt; tatsächlich waren in dem Boot Nr. 14 noch mindestens zwei Plätze frei; die
Encyclopedia Titanica
listet sogar nur 37 Insassen auf. Wobei das gar keine Rolle spielt: Einen Jungen, der unter einer Bank Platz hatte, hätte man sogar in einem überfüllten Boot mitnehmen können.
    Wer war hier also der »Mann«? Der Fünfte Offizier und »hero« Harold Lowe oder der kleine Junge, der zurück an Bord der
Titanic
ging, um zu sterben? Von unzähligen Helden, die auf dem sinkenden Schiff zurückblieben, oft auch deshalb, damit in diesem Umfeld von offener Willkür und Gewalt wenigstens ihre Frauen und Kindern »begnadigt« wurden, wird jedoch viel zu wenig geredet.
     
    Der Maschinist Frederick Scott, der am sechsten Tag der britischen Untersuchung aussagte, hatte einen Offizier schießen sehen – wahrscheinlich Lowe. Er sei vom Maschinenraum nach oben auf das Bootsdeck gekommen; der Maschinenraum sei vollständig trocken gewesen. Er habe über die Reling geschaut, berichtete Scott, und dabei zwei Boote auf der Backbordseite im Wasser gesehen (Nr. 14 und 16, wie die Kommission vermutete). In einem davon habe ein Offizier einen Revolver gezogen, zwischen Rettungsboot und Bordwand der
Titanic
gefeuert und gesagt: »Wenn irgendjemand in das Boot springt, werde ich ihn erschießen wie einen Hund.«
    In Boot 16 war noch Platz für mindestens neun Personen.
    Der überlebende Offizier Lowe selbst bestätigte den Schusswaffeneinsatz. Am dreizehnten Tag der britischen Untersuchung sagte er, er feuerte seinen Revolver ab, als während des Fierens zwei Männer vom Bootsdeck aus in das Boot springen wollten. Anschließend habe er bei jedem Deck, an dem sie vorbeigekommen seien, nochmals geschossen, um die Leute davon abzuschrecken, in das Boot zu springen. Die Frage ist nur: Warum feuert jemand auf Menschen, die in ein Boot springen wollen, in dem noch Plätze frei sind?
    Laut Lowe seien jedoch 64 Menschen an Bord gewesen, und er habe befürchtet, das Boot könne umkippen.
     
    Die überlebende Frau von Emil Taussig und ihre Tochter erklärten später, Taussig sei zusammen mit dem Theatermanager Henry B. Harris ebenfalls unnötig geopfert worden: »Sie sagten, dass Taussig, der nach der Kollision zusammen mit seiner Frau an Deck geeilt war, und Henry B. Harris mit Revolvern bedroht worden waren, als sie versuchten, in eines der Boot zu kommen, obwohl noch jede Menge Platz war. Frau Taussig erklärte, dass das Boot, in das sie zusammen mit ihrer Tochter und Frau Harris gesetzt worden war, mit zahlreichen leeren Plätzen von der
Titanic
ablegte und dass sie der Meinung ist, dass der Theatermann und ihr Gatte vollkommen sinnlos geopfert wurden. Das Letzte, was Frau Taussig von ihrem Mann und Harris sah, geschah wenige Momente vor dem Untergang. Die beiden Männer, sagte sie, legten sich die Arme um die Schultern und standen Seite an Seite, während sie ihren Familien Lebewohl winkten.« [153]
    Passagiere, die nicht von den Untersuchungskommissionen befragt wurden, haben von gespenstischen Szenen berichtet, in denen geschossen wurde und Erschossene auf den Decks lagen. Einer davon ist der erwähnte Passagier Eugene Daly aus Newark, der gesehen haben wollte, wie zwei erschossene Männer an Deck lagen.
    Anderen Quellen zufolge hat Daly selbst gesehen, wie ein Offizier die beiden Männer erschoss. So wird Daly in der
Encyclopedia Titanica
zitiert: »Ein Offizier zielte mit einem Revolver und sagte, sollte irgendein Mann versuchen, in das Boot zu gelangen, würde er ihn auf der Stelle erschießen. Ich sah, wie der Offizier zwei Männer erschoss, weil sie

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