Das Todeskreuz
sonst so gesagt?«
»Kannst du deine Frage etwas konkreter formulieren?«
»Sie hat ihr Haus nicht verlassen, aber trotzdem für Frantzen
gearbeitet. Wie hat das funktioniert?«
»Sie hat die Akten bekommen und entsprechende Verteidigungsstrategien
entwickelt. Außerdem hat sie sich in besonderen
Fällen telefonisch mit Mandanten kurzgeschlossen.«
»Habt ihr ihn auf die Sache von damals angesprochen?«
»Nein, sollten wir doch nicht.«
»Gut so. Wir sehen uns morgen um halb neun?«
»Klar. Doris und ich hauen jetzt ab, der Chef weiß schon Bescheid.
Wir brauchen auch mal ein bisschen Schlaf. Bis dann.«
»Und?«, fragte Brandt, nachdem Durant ihr Handy wieder
eingesteckt hatte.
»Frantzen weiß nicht, dass wir was wissen. Aber wenn
Klein ...«
»Ich kenne Klein nicht, dafür seine Tochter umso besser.
Wenn sie mit ihm fertig ist, haben wir von ihm nichts mehr zu
befürchten.«
»Vorausgesetzt, sie traut sich.«
»Wetten wir?«
»Um was?«
»Ein Essen in einem Restaurant Ihrer oder meiner Wahl,
kommt drauf an, wer gewinnt. Kommen Sie, schlagen Sie ein«,
sagte Brandt und streckte die Hand aus.
Durant nahm sie und erwiderte: »Einverstanden. Ich hoffe, Sie
gewinnen.«
»Und warum haben Sie dann mit mir gewettet?«
»Vielleicht, weil ich lange nicht mehr gepflegt essen war«,
antwortete sie lächelnd.
»Das ist ein Argument. Und nun mein Vorschlag. Möller war
mit größter Wahrscheinlichkeit der Kopf der Bande. Ihn sollten
wir uns zuletzt vorknöpfen, dann können wir ein bisschen spielen.
Was halten Sie davon?«
»Von mir aus. Aber seien Sie ehrlich, Sie wollen doch nur
zuerst zu Reiter, weil er in Offenbach wohnt und Sie dann gleich
nach Hause können.«
»Wo wohnen Sie?«
»Sachsenhausen.«
»Aber hallo, das ist doch ein Katzensprung, wenn Sie unten
am Main langfahren. Wir sind in spätestens zwanzig Minuten bei
Reiter, lassen Sie uns eine halbe Stunde bei ihm bleiben, dann
sind Sie gegen acht zu Hause und können einen gemütlichen
Abend vor dem Fernseher verbringen«, sagte Brandt und zwinkerte
Durant aufmunternd zu.
»Darum geht's doch gar nicht. Außerdem, was meinen Sie mit
spielen?«
»Möller hat mit Sicherheit die stärkste Rückendeckung seitens
der Eltern, er war der Leitwolf, und er scheint hochintelligent
und mit allen Wassern gewaschen zu sein. An ihn kommen
wir am ehesten ran, wenn wir Gebhardt und Reiter knacken. Oder
sehen Sie das anders?«
»Nein. Dann mal auf ins beschauliche Offenbach«, sagte Durant
grinsend.
»Sie kennen Offenbach nicht, sonst wüssten Sie, dass es gar
nicht so beschaulich ist. Aber ich bin dort geboren, aufgewachsen,
zur Schule gegangen und habe dort meinen Polizeidienst
begonnen. Ich liebe nun mal diese Stadt.«
»Und was haben Sie gegen Frankfurt?«
»Nichts, wenn ich nicht zu oft hin muss«, entgegnete er trocken
und setzte sich in seinen Wagen. Diesmal fuhr er vor,war
doch Offenbach sein Hoheitsgebiet und sein Jagdrevier.
Dienstag, 18.35 Uhr
Sie hielten vor einem eher unscheinbaren Haus in der
Schönbornstraße. Die Fassade war verwittert und hätte einen
neuen Anstrich bitter nötig gehabt, doch die Fenster schienen erst
vor kurzem erneuert worden zu sein, genau wie das große Tor.
Neben dem Tor war ein schlichtes Schild angebracht, Zahntechnisches
Labor A. Reiter.
Brandt machte ein nachdenkliches Gesicht und sagte: »Hoffen
wir, dass er auch hier wohnt.« Er klingelte, und kurz darauf meldete
sich eine weibliche Stimme durch die Sprechanlage.
»Ja, bitte?«
»Wir würden gerne mit Herrn Reiter sprechen.«
»Und wen darf ich melden?«
»Brandt, Kripo Offenbach, und meine Kollegin Frau Durant.
«
»Einen Moment bitte, Herr Reiter kommt.«
Durant und Brandt sahen sich nur an, ohne etwas zu sagen. Sie
hörten Schritte näher kommen, die Tür ging auf, und ein Hüne
von etwa einsneunzig stand vor ihnen. Er hatte naturgelocktes
dunkelblondes Haar, blaue Augen und einen ausgesprochen
athletischen Körper. Er trug ein schneeweißes, enganliegendes
T-Shirt, das seine Muskeln noch mehr zur Geltung brachte, eine
hellblaue Jeans und Sportschuhe. Aus Bergers Schilderungen
wusste Brandt, dass er dreißig oder schon einunddreißig war,
aber er wirkte älter, was an seinem ernsten Blick, aber auch an
den Falten um den schmalen Mund und auf der Stirn liegen konnte.
Er musterte die Beamten kritisch und sagte mit ungewöhnlich
heller Stimme, die in erheblichem Widerspruch zu seinem äußeren
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