Das Todeskreuz
doch.«
»Sie hören nicht richtig zu.«
»Doch. Und jetzt ist es nicht mehr so schlimm?«
»Sonst wäre ich ja wohl nicht zu Ihnen gekommen und würde
mit Ihnen die Nacht verbringen«, sagte er mit einem noch breiteren
Grinsen. »Dazu noch im Auto«, konnte er sich nicht verkneifen
hinzuzufügen.
»Na ja, bis jetzt ist das gar nicht so unangenehm«, entgegnete
sie, wobei er merkte, dass sie allmählich lockerer wurde und es
ihr guttat, aus der Depression herausgerissen worden zu sein,
auch wenn sie wiederkehren würde, sobald Elvira Klein allein in
ihrer Wohnung war und niemanden hatte, dem sie ihr Leid klagen
konnte.
»Ihr Vater hat also zugegeben, damals mit der Staatsanwaltschaft
kooperiert zu haben. Ich hätte bei Ihrer Unterhaltung zu
gerne Mäuschen gespielt.«
»Das war keine Unterhaltung, das war ein schwerer Disput.
Ich hab ihm auf den Kopf zugesagt, was er verbrochen hat, und
er hat es nach einigem Zögern zugegeben. Er hat sich gewunden
wie ein Aal, aber ich habe nicht lockergelassen, bis er endlich ...
gestanden hat. Sie können sich gar nicht vorstellen, was da in mir
abgelaufen ist. Das war die Hölle. Na ja, ist es immer noch. Ich
habe ihm praktisch ein Ultimatum gestellt. Entweder er macht
seinen Fehler von damals wieder gut, oder ich werde jeglichen
Kontakt zu ihm abbrechen.«
»Er ist aber immerhin Ihr Vater. Ohne ihn wären Sie nicht hier,
wenn Sie verstehen.«
»Das weiß ich selbst«, entgegnete sie in einem Ton, den er nur
zu gut von ihr kannte, unwirsch, aber auch ein wenig trotzig, was
ihm jedoch in diesem Moment nichts ausmachte. »Trotzdem
kann ich sein Handeln in keinster Weise nachvollziehen und
schon gar nicht gutheißen. Mein Gott, da sind zwei Menschen
umgebracht worden, und er dachte nur an seinen Ruf und an seine
Kanzlei. Es gibt Dinge, die ich einfach nicht begreife. Und ich
war der festen Überzeugung, ihn zu kennen. Wie ist denn Ihr
Verhältnis zu Ihrem Vater?«
»Hervorragend, ich könnte mir keinen besseren wünschen. Er
war auch bei der Polizei«, bemerkte Brandt, während er in eine
dunkle Straße ein- und kurz darauf rechts abbog und auf eine
ungepflasterte, holprige Straße gelangte, die von tiefen Reifenspuren
durchpflügt war. Er drosselte das Tempo auf Schrittgeschwindigkeit,
bis er nach einigen hundert Metern neben einem
langgezogenen Zaun anhielt, die Scheinwerfer jedoch noch brennen
ließ. Aus dem Augenwinkel registrierte er leicht amüsiert,
wie Elvira Klein die ihr unbekannte Gegend misstrauisch abtastete,
als hätte sie Angst.
»So, wir sind da«, sagte Brandt.
»Wo sind wir hier? Fahren Sie mit Ihren Frauen immer nachts
in die Wildnis?«
»Nur, wenn es die Situation erfordert. Ich bin ein Serienkiller,
und hier hört und sieht uns niemand. Sie sind mir voll und ganz
ausgeliefert«, antwortete er grinsend und schaltete das Licht
aus.
»Das Gefühl habe ich allerdings auch.«
»Dann sind wir uns ja ausnahmsweise mal einig.«
Er stieg aus, ging um den Wagen herum, machte die Beifahrertür
auf und half Elvira Klein heraus. Sie sah ihn für Sekundenbruchteile
mit einem seltsamen und undefinierbaren Blick
an, der ihm durch Mark und Bein ging, ein Blick, den sie ihm
so noch nie zugeworfen hatte. Er hatte auf einmal ein komisches
Gefühl in der Magengrube, und er dachte, bitte, lass es nicht
wahr sein.
»Danke«, sagte sie und stand neben ihm. Jetzt, da sie nur
flache Schuhe trug, war der Größenunterschied zwischen ihnen
nicht mehr so enorm. Sie war zwar immer noch fünf, sechs oder
vielleicht auch sieben Zentimeter größer, aber es kam ihm nicht
so vor.
»Und wohin jetzt?«, fragte sie, als sie in der dunklen Landschaft
am Ortsrand von Offenbach standen, keine Gebäude weit
und breit, keine lichtspendenden Laternen, nur in der Ferne vereinzelte
Lichter der Stadt. Dazu hatte es erneut leicht zu regnen
angefangen, der Boden war ohnehin schon nass, und die Schuhe
würden in wenigen Minuten vor Dreck kaum wiederzuerkennen
sein.
»Nur ein paar Meter, wir sind gleich da«, sagte er, während sie
dicht neben ihm lief und der Duft ihres Parfums in seine Nase
stieg.
»Würden Sie mir Ihre Hand geben, ich kann überhaupt nichts
erkennen.« Und ohne eine Antwort abzuwarten, nahm sie einfach
seine Hand und drückte sie fest, als würde sie sich tatsächlich
fürchten. Es war ihm nicht unangenehm, im Gegenteil, ihre Hand
fühlte sich warm und zart an, obwohl es sehr kühl geworden
war.
»So, und
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