Das Todeskreuz
ließ ein paar Sekunden verstreichen, bevor er fortfuhr:
»Vor zehn Jahren standen Sie und zwei Ihrer Freunde in Darmstadt
vor Gericht...«
»O mein Gott, diese ollen Kamellen. Ja, wir haben Mist gebaut
und sind dafür bestraft worden. Himmel, das ist eine Ewigkeit
her und längst verjährt! Wenn das alles ist, würde ich gerne
meinen Termin wahrnehmen.«
»Peter Guttenhofer und Laura Kröger, 31. Oktober 1995 und
14. Dezember 1995«, sagte Brandt diesmal sehr direkt. »Erinnern
Sie sich an diese Daten?«
Möller fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, schaute erst
Brandt, danach Durant an und antwortete sachlich kühl und mit
einer erstaunlichen Selbstsicherheit: »Nein, ich erinnere mich
nicht an diese Abende. Und bevor Sie weiter in alten Sachen
rumwühlen, will ich Ihnen gleich sagen, dass der anfängliche
Vorwurf, dass ich und meine Freunde für den Tod von diesem
Guttenhofer und der Kröger verantwortlich seien, sich sehr
schnell als Seifenblase entpuppt hat. Und sollten Sie jetzt anfangen
mir noch einmal mit diesen absurden Verdächtigungen zu
kommen, werde ich sofort meinen Anwalt einschalten und Ihren
Vorgesetzten informieren. Hab ich mich deutlich genug ausgedrückt?
«
»Sehr deutlich. Aber hab ich irgendwas von Abenden erwähnt?
Ich habe Sie doch nur gefragt, ob Sie sich an die Daten erinnern
können.«
»Ich weiß, dass die Morde nachts passiert sind, wir waren
schließlich verdächtig und sind unzählige Male gefragt worden,
wo wir zu den jeweiligen Zeiten waren. Zufrieden?«.
»Nein, aber bevor Sie mit Ihrem Anwalt sprechen, eine kleine
Geschichte, die Sie sich gut anhören sollten. Auf der Fahrt hierher sind wir an der Stelle vorbeigekommen, wo Herr Guttenhofer
erschossen wurde. Frau Durant und ich werden nachher vielleicht
auch noch die Stelle aufsuchen, wo Laura Kröger vergewaltigt,
misshandelt und ermordet wurde ...«
»Ich ...«
»Lassen Sie mich ausreden. Ich habe mir vorgestellt, wie
das ist, wenn plötzlich ein Auto neben einem auftaucht und
man so völlig ahnungslos oder in Gedanken versunken ist und
im nächsten Moment eine Kugel im Kopf hat. Ein echt schrecklicher
Gedanke. Ich glaube, noch schrecklicher muss es für
Frau Guttenhofer gewesen sein, die mit einem Mal mit drei
kleinen Kindern dastand, das jüngste gerade mal zwei Monate
alt. Tja, solche Ungerechtigkeiten passieren eben. Laura Krögers
Fall ist noch ein ganzes Stück grausamer. Zwanzig Jahre
alt, das ganze Leben noch vor sich, und dann tauchen da drei
junge Männer auf und lassen sie vielleicht stundenlang durch
die Hölle gehen, bis sie endlich von ihren Qualen erlöst wird.
Einfach furchtbar, finden Sie nicht? Und jetzt stellen Sie sich
mal vor, Sie fahren nachts über die Autobahn, irgendwann zwischen
zehn und zwölf, Sie haben das Radio an und wollen
einfach nur heim, doch dazu kommt es nicht mehr, weil mit
einem Mal Ihr Schädel von einer Kugel zerfetzt wird. Unvorstellbar,
was? Aber ich will jetzt keine Antwort von Ihnen,
sondern Ihnen lediglich erklären, dass die Morde an Sittler,
Buchmann und Hoffmann in direktem Zusammenhang mit den
Morden an Guttenhofer und Kröger stehen. Wir können es sogar
beweisen. Was sagen Sie nun?«
Möller hatte sich zurückgelehnt, die Hände gefaltet und drehte
die Daumen umeinander. Seine Mimik zeigte jene Arroganz, auf
die Brandt äußerst allergisch reagierte. Am liebsten hätte er ihm
die Faust mit voller Wucht ins Gesicht geschlagen, doch er versuchte
sich nicht anmerken zu lassen, wie er fühlte, »Was soll ich
dazu sagen? Nichts«, antwortete Möller, eine Augenbraue hochgezogen. »Höchstens, dass Sie eine blühende Phantasie haben.
War's das?«
»Nein«, meldete sich jetzt Julia Durant zu Wort, »das war's
noch immer nicht. Der oder die Täter haben es nämlich unserer
Auffassung nach auch auf Sie und Ihre Freunde abgesehen.« Sie
ließ eine kurze Pause entstehen und fuhr dann fort: »Und möglicherweise
auch auf Ihre Väter. Hass kann unglaubliche Blüten
treiben, Hass kann zerstörerischer sein als alles andere auf der
Welt, denn Hass ist der Auslöser für Kriege, für Gewalt und auch
für ganz banalen Mord. Und da draußen läuft jemand rum, der
trägt diesen Hass in sich, weil er oder sie weiß oder wissen, wir
haben ja noch keine Ahnung, ob es sich um einen oder mehrere
Täter handelt, dass Sie und Ihre Freunde damals doch die Morde
begangen haben. Manchmal verschwinden eben nicht alle Unterlagen
und
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