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Das Todeskreuz

Titel: Das Todeskreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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geschlafen. Seine Hände zitterten ein wenig,
ein leichter Alkoholgeruch drang aus seinem Mund, obwohl er
weder angetrunken und schon gar nicht betrunken wirkte.
    »Ich hab mir schon gedacht, dass Sie es sind«, sagte er mit
müder Stimme. »Ist auch ganz gut so. Wo ist Ihre Kollegin?«
»Sie ist anderweitig unterwegs«, antwortete Brandt, ohne
konkret zu werden, und folgte Reiter wie gestern ins Wohnzimmer.
    Auf dem Tisch standen eine Flasche Wodka der besseren
Sorte und ein gefülltes Glas.
    »Bitte«, sagte Reiter und wies auf das Sofa, während er selbst
im Sessel Platz nahm, nach dem Glas griff und an dem Inhalt
nippte. Er verzog das Gesicht und meinte: »Verdammtes Gesöff,
ich versteh überhaupt nicht, wie manche Leute so was dauernd
trinken können.«
    »Und warum tun Sie's dann ausgerechnet heute?«
    Reiter sah Brandt traurig und resigniert an und sagte: »Weil es
Tage gibt, an denen man es braucht, um nicht komplett durchzudrehen.
«
    »Und heute ist so ein Tag«, konstatierte Brandt, der spürte,
dass der Druck, der sich seit gestern in Reiter aufgebaut hatte, so
übermächtig geworden war, dass er ihn nicht länger ertrug.
    »Ja, verdammt, heute ist so ein verfluchter Tag! Ich halt das
nicht länger aus, ich geh sonst kaputt. Ich hab's versucht, ich hab
wirklich alles versucht, um diese Scheißgedanken aus meinem
Kopf zu kriegen, aber ich schaff's einfach nicht mehr. Ich hab
letzte Nacht nicht eine Minute geschlafen, ich hab dagesessen,
ich hab geheult, ich hab gedacht, das geht so nicht weiter, das
kann und darf einfach nicht so weitergehen. Nicht mal dieser verfluchte
Schnaps hilft.«
    »Dann hören Sie doch auf zu trinken, wenn es sowieso nicht
hilft«, sagte Brandt mit gedämpfter Stimme und beugte sich nach
vorn, die Hände gefaltet, die Ellbogen auf den Oberschenkeln.
    »Lassen Sie raus, was Sie bedrückt. Was ist los?«
    Reiter schaute Brandt lange an, stand auf und sah in sein noch
halb volles Glas, drehte sich um und wollte noch einen Schluck
nehmen, hielt inne und warf mit einer blitzschnellen Bewegung
das Glas samt Inhalt mit voller Wucht gegen die Wand, wo es in
tausend Stücke zersprang. Brandt zuckte kurz erschrocken zusammen.
    »Was los ist?« Reiter lachte unnatürlich auf und fuhr sich mit
beiden Händen durch das volle Haar. Alles an ihm, seine Mimik,
seine Gestik, seine Körperhaltung, drückte Verzweiflung aus.
»Sie wissen doch genau, was los ist. Ich hatte eigentlich erwartet,
dass Sie kommen, um mich zu verhaften.«
    »Warum sollte ich? Ich habe doch angeblich keine Beweise.
    Das waren Ihre eigenen Worte.«
    »Sie haben welche, doch wahrscheinlich reichen sie nicht aus,
um mich verhaften zu können. Aber ich habe auch keine Lust und
keine Kraft mehr, den ganzen Scheiß noch mal durchzumachen.
    Diese ganze verdammte Lügerei. Ich hasse es so, und ich hasse
mich. Haben Sie mit Magnus gesprochen?«
    »Ich komme gerade von ihm.«
    »Und was hat er gesagt?«
    »Tut mir leid, darüber darf ich Ihnen keine Auskunft geben«,
meinte Brandt bedauernd.
    »Brauchen Sie auch nicht, ich kann's mir schon denken. Er ist
bestimmt noch immer dasselbe widerwärtige Arschloch wie damals. Für ihn ist das alles abgeschlossen, er ist erfolgreich und
scheißt auf die Welt. Aber ich mach das nicht mehr mit, irgendwann
muss Schluss sein, und ich scheiß drauf, was dann mit mir
passiert. Sie haben gestern gefragt, ob Magnus, Thomas und ich
Guttenhofer und Laura Kröger umgebracht haben.« Er sah Brandt
wieder lange und unendlich traurig an und sagte dann: »Ja, das
haben wir. Wäre damals diese Verkehrskontrolle nicht gewesen,
wer weiß, vielleicht wüsste man bis heute nicht, dass wir es waren.
Aber es ist gut, dass jetzt endlich nach zehn Jahren alles vorbei
ist und die ganze Wahrheit ans Tageslicht kommt. Ich, Andreas
Reiter, war dabei, und ich schäme mich unendlich dafür. Es
gibt nichts, aber auch rein gar nichts, womit ich meine Schuld
wiedergutmachen könnte.«
    »Aber Sie haben gestern, kurz bevor meine Kollegin und ich
gegangen sind, gesagt, dass sie nie einen Menschen umgebracht
haben, so ungefähr jedenfalls waren Ihre Worte. Und jetzt geben
Sie auf einmal doch zu, dabei gewesen zu sein. Erzählen Sie mir,
was damals passiert ist. Ich bin ein guter Zuhörer.«
    Reiter nickte und ging, die Hände in den Hosentaschen vergraben,
im Zimmer auf und ab. »Sie werden es mir wahrscheinlich
nicht glauben, und Magnus und Thomas werden alles bestreiten

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