Das Todeskreuz
zum Beispiel bis heute keine feste Beziehung zu einer
Frau, ich kann einfach nicht, weil ich dauernd denke, ich habe
es nicht verdient.«
»Und Sie haben auch später nie mit jemandem darüber gesprochen,
sondern alles in sich hineingefressen?«, fragte Brandt
zweifelnd.
Es entstand wieder eine Pause. Reiter wandte den Blick zum
Fenster hin. Schließlich sagte er: »Doch, ich habe mit jemandem
darüber gesprochen. Ich war vor ein paar Monaten bei einem
Priester und hab ihm alles erzählt. Ich war nie ein Christ, aber
eines Tages war ich so tief unten, dass ich nach Heidelberg gefahren
und dort ziellos durch die Gegend gelaufen bin. Dabei
kam ich an eine Kirche, und irgendetwas hat mich da reingezogen.
Ich hab dem Priester alles erzählt und ihn gefragt, was ich
machen soll.«
»Und, was hat er geantwortet?«
»Das war ganz komisch. Er hat gesagt, und halten Sie das jetzt
bitte nicht für einen Witz, er hat gesagt, dass bald jemand kommen
würde, um mich zu befreien. Ich habe ihn gefragt, was er
damit meint, woraufhin er nur geantwortet hat, ich solle abwarten
und mir keine Sorgen mehr machen. Als ich rausgegangen bin,
war ich total durcheinander, aber jetzt macht das alles Sinn, denn
Sie sind gekommen. Ich bin so froh, dass es vorbei ist, dass diese
ganze Lügerei ein Ende hat.«
»In welcher Kirche war das?«
»Ich weiß nicht, wie sie heißt, aber sie steht in der Innenstadt.
«
»Priester unterliegen dem Beichtgeheimnis. Würden Sie ihn
davon befreien, damit er uns Ihre Aussage bestätigt?«
»Ja, natürlich. Doch dazu müssten wir hinfahren und ...«
»Das wird alles geregelt. Aber eins verstehe ich nicht ganz.
Sie haben erzählt, dass Sie immer mit Möllers Wagen unterwegs
waren. Hatten Sie kein eigenes Auto? Und was ist mit Gebhardt?
Warum immer nur Möllers Auto?«
»Ich hatte seit 1994 meinen Führerschein und auch einen
Wagen, aber Möller bestand immer darauf, dass wir mit seinem
fahren. Er war eben verdammt eitel, und sein aufgemotzter
325er war 'ne Rakete und ein Blickfang. Das ist der einzige
Grund, der mir einfällt.« Reiter stand auf, nahm den MP3-Player
und drückte auf Aufnahmestopp. »Ich bin bereit, wir können
gehen. Was schätzen Sie, wie lange werde ich ins Gefängnis
müssen?«
»Ich bin nur Polizist, das entscheidet letztendlich der Richter.
Doch sollte Ihre Geschichte, so wie Sie sie erzählt haben, der
Wahrheit entsprechen, werden Sie mit einer vergleichsweise geringen
Strafe davonkommen. Aber Ihnen ist klar, dass Sie mit
Ihrer Aussage eine Lawine auslösen. Es werden sich nicht nur
Magnus Möller und Thomas Gebhardt vor Gericht zu verantworten
haben, sondern auch ...«
»Ich weiß, ich weiß, und das ist mir so was von scheißegal.
Woher haben Sie eigentlich die Beweise, von denen Sie gestern
gesprochen haben?«
»Tut mir leid, dazu kann und darf ich Ihnen keine Auskunft
geben. Sie werden eine Weile nicht hier sein, wer wird das Labor
führen?«
»Meine Assistentin, mit der ich auch sehr gut befreundet bin,
aber wirklich nur befreundet. Ich sage ihr Bescheid. Hier, das
Gerät und mein schriftliches Geständnis.« Er reichte beides
Brandt. Und mit einem erschöpften Lächeln fügte er hinzu: »Und
Sie brauchen auch keine Angst zu haben, ich werde nichts von
dem widerrufen. Ich bin einfach nur erleichtert, das können Sie
mir glauben. Gehen wir.«
»Einen Augenblick noch«, sagte Brandt. »Ich möchte meiner
Kollegin schnell Bescheid geben. Sie ist gerade bei Herrn Gebhardt
oder schon wieder unterwegs.«
»Ach du Scheiße! Sie soll bloß aufpassen, der Typ ist unberechenbar.
Wenn er früher was genommen hatte, konnte er verdammt
gewalttätig werden. Haben Sie ihn auch schon kennengelernt?
«
»Gestern. Er ist ziemlich fertig, scheint so, als ob er in den
letzten Jahren zu viel Drogen konsumiert hätte.«
Brandt rief Durant an, die bereits wieder auf dem Weg zurück
ins Präsidium war. »Wo sind Sie?«, fragte er.
»Im Auto«, antwortete sie knapp und etwas kurz angebunden.
»Und Sie?«
»Tja, dann würde ich Ihnen raten, wieder umzukehren und die
Streife zu verständigen, damit sie Gebhardt abholen. An Ihrer
Stelle würde ich aber vor dem Haus warten, Gebhardt soll ziemlich
unberechenbar sein.«
»Ich versteh nicht ganz.«
»Herr Reiter hat soeben ein umfangreiches Geständnis abgelegt.
Ich lasse ihn aufs hiesige Präsidium bringen, anschließend
kommt er aller Voraussicht nach in U-Haft, es sei denn, die
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