Das Todeskreuz
Sie mir, ich habe schon Verhöre durchgeführt, die
haben drei oder vier Tage gedauert, mit ganz kurzen Unterbrechungen, ich bin nämlich ziemlich hart im Nehmen. Sie sind
doch jetzt schon ganz fertig. Warum haben Sie damals die Morde
begangen?«
Gebhardt lehnte sich zurück, sein Atem ging schwer, seine
Augen schweiften ruhelos von einem Punkt zum andern. Er
war unfähig, Durant anzusehen. Er zitterte am ganzen Körper,
und Durant wusste, dass er nicht mehr lange durchhalten würde,
auch wenn sie erst seit einer knappen halben Stunde mit
ihm beschäftigt war. Er hatte keine Drogen, keine Zigaretten,
nur ein Glas stand vor ihm, das er bis jetzt nicht angerührt
hatte. Sein Kehlkopf hüpfte ein paarmal auf und ab, mit einem
Fuß klopfte er monoton auf den Boden. Durant warf Eberl
einen kurzen, aber bedeutungsvollen Blick zu. Eberl löste sich
von der Wand, stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch
und sah Gebhardt aus wenigen Zentimetern Entfernung an. Er
roch unangenehm nach Schweiß und aus dem Mund, was sie
ignorierte, hatte sie es doch in den letzten Jahren schon mit
andern Verdächtigen zu tun gehabt, die noch heruntergekommener
waren.
»Meine Kollegin hat Ihnen bereits erklärt, dass ein Geständnis
vor Gericht immer zugunsten des Angeklagten gewertet
wird. Das heißt, es wirkt strafmildernd. Wieso machen Sie es
sich so schwer? Sie versuchen mit aller Gewalt zu retten, was
nicht mehr zu retten ist. Erkennen Sie an, dass es keinen Ausweg
mehr gibt.«
»Ich habe keinen Mord begangen, das waren Möller und Reiter
«, entgegnete er mit stockender Stimme.
»Das heißt aber, Sie waren dabei, wie Sie eben zugegeben
haben.«
»Ja, verdammt, ich war dabei. Aber die andern beiden haben
diesen Typ und das Mädchen gekillt.«
»Aha, und wie genau hat sich das abgespielt?«, fragte Durant.
»Weiß nicht mehr, ist zu lange her.«
»Und warum haben Sie nicht eingegriffen?«
»Keine Ahnung, war halt so.«
»Sie neigen zu aggressivem Verhalten und Gewalttätigkeiten,
wenn Sie Drogen genommen haben.«
»Woher wollen Sie das denn wissen?!«, schrie er und sprang
auf. Der Stuhl kippte um, Gebhardt machte einen Sprung zur
Wand und schlug ein paarmal mit der Faust dagegen, bis die Haut
an den Knöcheln aufplatzte und Blut herauskam. »Woher verdammt
noch mal wollen Sie das wissen?!«
»Setzen Sie sich wieder«, sagte Durant gelassen.
»Und wenn nicht, was dann? Wollen Sie mich zusammenschlagen,
oder was? Kommen Sie, versuchen Sie's, mal sehen,
wer stärker ist. Du hast doch keine Chance gegen mich. Nicht
gegen Thomas Gebhardt.«
»Ich habe gesagt, Sie sollen sich wieder setzen.«
Gebhardt lachte auf. Es klang irre, als wäre er nicht mehr Herr
seiner Sinne.
»Du kannst mich mal am Arsch lecken, du Bullenfotze! Ihr
könnt mich alle mal am Arsch lecken!«
»Hinsetzen! Und die Beleidigung eben hab ich überhört, sonst
müsste ich auch noch Anzeige wegen Beamtenbeleidigung erstatten.
Ist mir aber zu aufwendig. Also, hinsetzen!«
Gebhardt kicherte, fuhr sich mit dem blutigen Handrücken
übers Gesicht und sagte: »Ich will aber nicht, kapiert? Erst wenn
ich was zu rauchen krieg. Erst was zu rauchen, dann setz ich
mich wieder und bin ein braver Junge.«
»Hier ist Rauchverbot. Aber ich denke, wir haben genug gehört.
Das ging viel schneller, als ich gedacht habe, Herr Gebhardt
«, sagte Durant.
»He, was soll das? Was ging viel schneller? Hä?«
»Ich lasse Sie jetzt in Ihre Zelle bringen.«
»Und da? Ich hab doch niemanden umgebracht, weder diesen
Guttenhofer noch die Kröger, kapiert?! Ich hab überhaupt nichts
gestanden.«
»O doch, das haben Sie. Sie waren zumindest dabei. Aber
wenn Sie nicht abgedrückt haben, verraten Sie uns doch, wo Sie
gesessen haben, als der tödliche Schuss auf Herrn Guttenhofer
abgefeuert wurde. Daran werden Sie sich doch sicherlich noch
erinnern können.« Sie stellte diese Frage, weil Reiter in seinem
Geständnis die Sitzpositionen aufgeführt hatte.
»Hinten, ich hab an dem Abend hinten gesessen. Warum interessiert
Sie das?«, antwortete Gebhardt, der sich jetzt doch gesetzt
hatte und wieder mit dem Fuß nervös und monoton auf den Boden
klopfte.
»An dem Abend, sagen Sie. Sonst haben Sie aber immer vorne
neben Möller gesessen, richtig?«
»Ja, und?«
»Nur so. Und wer saß am Steuer?«
»Möller, der ist doch immer gefahren.«
»Und warum haben Sie ausgerechnet an dem Abend hinten
gesessen? Hatte das einen bestimmten
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