Das Todeskreuz
brauchte die Sittler nicht mehr fürs Bett, er
hatte ja sein junges Gemüse im Bordell und seine Geliebte.
Und dann wäre noch Hoffmann, der ganz offensichtlich seine
junge Frau verprügelt hat. Auch er alles andere als ein Vorzeigerichter.
Warum wurde die Sittler als Erste ermordet? Gab es
eine vorher bestimmte Reihenfolge? Aber sicher doch, die
Agoraphobie. Wäre Buchmann als Erster ermordet worden,
hätte die Sittler das erfahren und garantiert niemanden mehr
in ihr Haus gelassen, weil sie genau gewusst hätte, warum er
umgebracht wurde. Sie hätte von dem Zettel im Mund erfahren
und sofort gewusst, wie der Hase läuft. Und Buchmann war
erst acht Jahre mit seiner Frau verheiratet, die mit Sicherheit
nichts von seiner Darmstädter Vergangenheit weiß. Bei Hoffmann
dasselbe, eine junge Frau, ein kleines Kind und auch
schon lange in Frankfurt. Über keinen der beiden wären wir
auf den Fall Kröger/Guttenhofer gekommen. Die Sittler musste
als Erste dran glauben, damit wir hinterfragen konnten, was
es mit diesem Zettel auf sich hat. Und Buchmann wurde umgebracht,
als wir noch bei der Sittler zu Hause waren oder ich
ins Präsidium gefahren bin. Und Hoffmann zwei Tage nach
Buchmann. Wo war Hoffmann am Dienstag? Er hatte Urlaub
und deshalb mit ziemlicher Sicherheit noch nichts vom Mord
an Buchmann erfahren. Und von der Sittler konnte er eigentlich
auch nichts wissen, weil die ersten Meldungen erst heute
in den Zeitungen erschienen. Außerdem war sie gar nicht mehr
bei der Staatsanwaltschaft. Das war verdammt gut durchdacht.
Chapeau, kann ich da nur sagen. Die Täter wussten offenbar
alles über ihre Opfer, selbst, dass Buchmann sonntags immer
in seinem Puff war und Hoffmann diese Woche Urlaub hatte,
ein zugegeben ziemlich kurzer Urlaub, den er sich bestimmt
anders vorgestellt hatte. Sittler am Freitag, Buchmann am
Sonntag und Hoffmann am Dienstag, alle zwei Tage einer. Und
der Vierte aus der Clique ist schon seit ein paar Jahren tot. Ich
hoffe nur, dass mit dem Morden jetzt endlich Schluss ist.
Moment, dachte sie weiter, wenn die Täter wussten, dass
Hoffmann Urlaub hatte, woher wussten sie es? Wenn ich meinen
Urlaub einreiche, sind nur ganz wenige Personen eingeweiht, es
sei denn, ich erzähl's jedem. Es muss jemand sein, der Zugang zu
gewissen Akten hat oder jemanden kennt, der ihm die Information
arglos gibt.
Aber die Morde selbst wurden auf unterschiedliche Weise begangen.
Die Sittler mittels K.-o.-Tropfen und einer tödlichen Dosis
Strychnin und anschließend in Form eines Kreuzes auf dem
Bett aufgebahrt, Buchmann mit einem Stich ins Herz und in den
Kofferraum gelegt, Hoffmann hingegen wurde gefoltert, bevor
man ihn erdrosselte. Drei unterschiedliche Vorgehensweisen, bei
der Sittler eher human, bei Buchmann schon einen Tick härter
und bei Hoffmann ein qualvoller Tod. Hat das was zu bedeuten?
Was hat Hoffmann noch verbrochen, dass man ihn so zugerichtet
hat?
Das gibt immer mehr Fragen, dachte sie. Julia, es bringt nichts,
dir weiter den Kopf zu zerbrechen. Peter hat schon recht, du wirst
den Fall heute nicht mehr lösen. Trotzdem würde ich zu gerne
wissen, wer das alles ausgeheckt und ausgeführt hat. So, und
jetzt ab ins Bett, du hast es dir verdient und vor allem nötig. Und
hör auf zu grübeln.
Sie löschte das Licht, ging noch einmal auf die Toilette und
danach zu Bett. Und wie immer, wenn sie so sehr in einen Fall
involviert war, dauerte es lange, bis sie endlich einschlief.
Donnerstag, 5.45 Uhr
Peter Brandt wachte nach nur drei Stunden Schlaf auf,
blickte auf die Uhr und anschließend auf die neben ihm liegende
Elvira. Die Bettdecke verhüllte gerade mal ihre Beine und die
Hüften. Sie hatte ihm den Rücken zugewandt. Er überlegte, ob er
sie wecken oder ihr nur eine Nachricht auf einem Zettel hinterlassen
sollte. Wenn er jetzt aufstand, würde er es rechtzeitig nach
Hause schaffen, um seine Töchter noch vor der Schule zu sehen.
Sie würden Fragen stellen, wo er schon wieder gewesen war,
worauf er jedoch sicherlich eine Antwort finden würde. Er stand
so leise wie möglich auf, ging ins Wohnzimmer, wo seine Sachen
lagen, und zog sich an. Er wollte gerade eine Notiz hinterlassen,
als er Elviras Stimme hörte. Sie stand an den Türrahmen gelehnt,
den roten Morgenmantel an, die Arme verschränkt. Er hatte sie
nicht kommen hören.
»Wo willst du hin?«, fragte sie leise.
»Tut mir leid, ich wollte dich nicht wecken, aber
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