Das Todeskreuz
Sendung anfangen?«
»Spätestens um halb vier. Aber ich wechsle mich wöchentlich
mit Daniel Fischer und Susi Brandt ab. Als treue Hörerin sind die
Ihnen ja auch nicht unbekannt, genau wie Johannes Scherer.«
»Sicher, aber ich mag Ihren Humor. Das ist keine Schleimerei.«
»Danke für das Kompliment, ich geb mir Mühe. Andererseits
ist mir das angeboren. Ich war schon in der Schule der Klassenclown,
und irgendwie kommt mir das jetzt zugute.«
»Naja, aber verraten Sie mir doch, wie Sie das mit den Stimmen
machen. Lernt man so was, oder ist das auch angeboren?«
»Sie meinen die Imitationen? In die Wiege gelegt. Irgendwann
hab ich gemerkt, dass ich alle möglichen Leute nachmachen
kann, von Kohl über Schröder bis zur Merkel. Fragen Sie mich
aber bitte nicht, wie das funktioniert.« Er schraubte den Verschluss
von der Colaflasche ab, hielt sie hoch und sagte mit einem
Augenzwinkern und der Stimme von Helmut Kohl: »Nicht doch
ein Glas, werte Frau Durant? Es handelt sich hier um einen exzellenten
Tropfen, Jahrgang 2006. Frisch geerntet und gemixt in der
Giftfabrik der Cocaindustrie, die leider nicht in Oggersheim
steht. Aber wenn Sie wissen wollen, welches Geheimnis hinter
dieser Mixtur steckt, dann muss ich Ihnen leider mitteilen, dass
mein Ehrgefühl es mir verbietet, die geheimnisvolle Rezeptur der
anonymen Giftmischer preiszugeben.«
Julia Durant musste lachen und sagte: »Wenn Sie mich so fragen,
nehme ich natürlich gerne ein Glas. Haben Sie das mit dem
Ehrgefühl auch schon mal gebracht?«
Matthias Mahler schüttelte den Kopf und antwortete mit wieder
normaler Stimme: »Es gibt so bestimmte Sachen, da muss
man vorsichtig sein. Man darf alle möglichen Witze reißen, aber
es gibt auch eine Grenze. Wir haben schon etliche Male Probleme
mit Politikern bekommen, die sich zu sehr auf den Schlips getreten
fühlten. Deshalb bin ich etwas moderater geworden. Ein moderater
Moderator«, fügte er jungenhaft grinsend hinzu. Er
schenkte erst Durant und anschließend sich ein.
»Auf Ihr Wohl.«
»Danke.«
»Darf ich Ihnen noch ein paar Fragen stellen?«
»Nur zu, deshalb sind Sie ja gekommen.«
»Nein, nicht deswegen ...«
»Doch«, unterbrach er sie wieder grinsend, »Sie sind gekommen,
um Fragen zu stellen. Welche, hab ich nicht gesagt.«
»Mich würde mal interessieren, wie so Ihr Tagesablauf aussieht?
«
»Wie gesagt, wenn ich moderiere, mitten in der Nacht aufstehen,
um halb fünf bin ich in der Regel im Studio, dann gibt's eine
kurze Besprechung mit dem Frühredakteur, und dann geht's
schon auf Antenne, das heißt, ich fang an. Um neun ist Schluss,
aber nur mit der Sendung. Ich muss mich danach noch auf den
folgenden Tag vorbereiten. Bis ich den Sender verlassen habe, ist
es meist elf, manchmal auch schon zwölf. Dann nur noch schnell
heim, schlafen und so weiter.«
»Das geht doch mächtig an die Substanz, oder?«
»Alles halb so wild. In meiner moderationsfreien Woche bin
ich zwar auch im Sender, aber ... Wissen Sie was, ich lad Sie ein,
mal live bei einer Sendung dabei zu sein. Sie werden schnell merken,
dass auch bei uns nur mit Wasser gekocht wird. Wir sind ein
ganz normaler Haufen Chaoten, angefangen beim Big Boss über
den Pressesprecher bis hin zu den Redaktionsmitarbeitern. Das
Schöne ist, dass wir uns alle sehr gut kennen und auch verstehen.
Ich glaub, dass das auch bei den Hörern so rüberkommt, sonst hätten
wir nicht doppelt so viele Hörer pro Stunde wie unsere Konkurrenz
vom HR. Auch wenn die dauernd versuchen und es auch
schon geschafft haben, ein paar unserer besten Leute abzuwerben.
Die haben eben die nötige Kohle, die wir uns durch die Werbung
erst verdienen müssen. Es ist ein hartes Geschäft.«
Durant nahm einen Schluck, als die Badezimmertür aufging
und Leslie herauskam. Sie hatte nur ein Handtuch um ihre Hüften
gewickelt und sah die Kommissarin erschrocken an.
»Oh, Entschuldigung, ich hab gar nicht mitgekriegt, dass ...«
»Kein Problem«, sagte Matthias Mahler grinsend, »wenn's
ein knackiger Kerl wäre, hätte ich dir schon Bescheid gesagt.«
»Ich zieh mir nur schnell was an.« Leslie verschwand im
Schlafzimmer und kehrte nur wenige Augenblicke später zurück,
bekleidet mit einer legeren Jeans und einem roten Sweatshirt.
Ihre noch nassen Haare hatte sie zurückgekämmt. Sie setzte sich
neben ihren Freund, die Beine angewinkelt.
»Tja, ich lass euch dann mal allein.« Matthias Mahler erhob
sich.
»Du
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