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Das Todeskreuz

Titel: Das Todeskreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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einen Außenstehenden schwer zu verstehen. Corinna, so hab ich
sie nämlich genannt, war ein egoistisches und egozentrisches
Miststück. Alles drehte sich immer nur um sie. Liebe war für
sie ein Fremdwort. Da, wo andere ein Herz und Gefühle haben,
war bei ihr nichts, aber auch rein gar nichts. Immer hieß es ich,
ich, ich!« Sie lachte wieder bitter auf, wie schon ein paarmal an
diesem Spätnachmittag. »Es gab niemanden, der mit ihr auskam,
früher nicht, als sie noch in Anführungsstrichen gesund war, und
auch nicht in den letzten Jahren.« Sie hielt inne, nestelte am
Saum ihres Sweatshirts und fuhr fort: »Aber ich wurde auch
egoistisch, denn ich habe gelernt, sie auszunutzen. Vor ein paar
Jahren gab es einen Vorfall, wo ich ihr beinahe an die Gurgel
gegangen wäre, weil sie mich wieder einmal wie den letzten
Dreck behandelt hat, aber ich habe mich beherrscht. Ein Wort
gab das andere, ich sagte, dass sie mich mal kreuzweise könne
und ich nie wieder etwas mit ihr zu tun haben wolle. Ihre Reaktion
darauf war toll, richtig toll. Sie hat ganz ruhig erwidert:
Leslie, Schatz, du vergreifst dich in deiner Wortwahl. Du hast
zwei Möglichkeiten - entweder komplett auf eigenen Beinen zu
stehen oder auch weiterhin bequem von meinem Geld zu leben.
Ich bin es, die dein Studium und deinen Lebensunterhalt finanziert.
Daraufhin hat sie sich einen Cognac eingeschenkt und
mich mit diesem für sie typischen Blick angesehen, und da
wusste ich, was ich tun würde - nämlich weiter von ihrem Geld
zu leben. Aber nicht, wie sie sich das vorstellte, ich wollte sie
bluten lassen. Dass sie mich nicht ganz mit leeren Händen dastehen
lassen konnte, das wusste sie, aber sie drohte, mir die
Mittel zu kürzen, mir nur noch das Notwendigste zu geben,
außer ich würde sie weiter brav jeden Tag anrufen und sie mindestens
einmal in der Woche besuchen. Ich sei schließlich ihre
Tochter und sie meine Mutter. Und da habe ich einen Entschluss
gefasst. Ich sagte mir, das ist nicht meine Mutter, sondern nur
eine reiche Frau, der ich helfe und die mich dafür bezahlt. Ich
habe sie jeden Tag angerufen, manchmal auch zweimal, ich habe
mich nach ihrem Befinden erkundigt, und wir haben Smalltalk
gehalten. Und ich habe sie regelmäßig besucht, und ich habe sie
ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Und ich habe ihr das
Gefühl gegeben, sie zu lieben, und sie hat mich für diese geschauspielerte
Liebe fürstlich entlohnt.«
    »Meinen Sie nicht, dass sie das gemerkt hat?«, fragte Durant.
    »Klar hat sie's gemerkt, aber für sie war ja sowieso alles nur
ein Spiel. Ich habe ihr zum Beispiel letztes Jahr von diesem Neubau
erzählt und so nebenbei erwähnt, wie gerne ich in dieser Gegend
wohnen würde und dass es doch ganz nah bei ihr sei und so
weiter und so fort. Zwei Tage später hat sie mir diese Wohnung
gekauft. Weiß der Teufel, woher sie das ganze Geld hatte, aber
das war mir so was von scheißegal, ich dachte mir nur, lass sie
bluten ... Ich habe dieses Miststück gehasst, aber ich habe sie
nicht umgebracht.«
    »Sind Sie traurig, dass sie tot ist?«
    »Nee, keine Trauer. Jeder stirbt so, wie er es verdient«, antwortete
sie mitleidlos und kalt.
    »Da muss ich Ihnen widersprechen, oder glauben Sie, dass ein
kleines Kind, das von einem Perversen geschändet und ermordet
wird, es verdient hat?«, sagte Durant ebenso kalt. »Ich habe
schon einige Male solche Fälle erlebt, und es waren die schlimmsten
Momente, wenn ich die Opfer sah.«
    Leslie senkte verschämt den Blick und lächelte gequält. »Tut
mir leid, so war das nicht gemeint. Ich wollte nur sagen, dass es
Menschen gibt, die es einfach verdient haben. Fertig.«
    »Okay. Und Frau Cornelius wusste von alldem?«
    »Ja. Sie hat sogar gesagt, ich soll bloß alles annehmen, es stehe
mir zu. Das war für mich natürlich noch ein Grund mehr.«
    »Würden Sie mir bitte noch verraten, wo Sie am Freitagabend
zwischen zweiundzwanzig Uhr und Mitternacht waren?«
    »Das klingt wieder wie eine Verdächtigung. Ich war hier zu
Hause, allerdings allein. Ich hatte furchtbare Migräne und bin
früh zu Bett gegangen.«
    »Und wo waren Sie?«, fragte Durant, den Blick auf Mahler
gerichtet.
    »Ich hab am Freitag eine Gala in Friedberg moderiert, was
sich leicht nachprüfen lässt.«
    »Haben Sie Frau Sittler je kennengelernt?«
    »Um Himmels willen, nein. Mir hat schon gereicht, was Les
mir von ihr erzählt hat. Dazu hab ich einige Male Telefonate
mitbekommen,

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