Das Todeswrack
jemand morden, um die Entdeckungen des Kolumbus nicht in Zweifel ziehen zu lassen? Ich brauche bloß einen einzigen Ansatzpunkt.«
»Seine Reisen haben zu Tonnen von Aufzeichnungen geführt, Millionen von Seiten. Die Werke über diesen alten Knaben würden eine ganze Bibliothek füllen.«
»Ich weiß, deshalb habe ich Sie ja angerufen. Sie sind der einzige Mensch, den ich kenne, der die Spreu vom Weizen trennen könnte.«
»Schmeicheleien helfen Ihnen auch nicht weiter …«
»Im Gegenzug für Ihre Mühe lade ich Sie in ein Restaurant Ihrer Wahl zum Abendessen ein.«
»… aber ein Essen wäre sehr förderlich. Wie könnte ein Mann widerstehen, wenn sowohl sein Ego als auch sein Appetit in Versuchung geführt werden? Gleich nach dem Mittagessen mache ich mich an die Arbeit.«
22.
Während Perlmutter Austins Anliegen überdachte, führte er sich eine saftige, mit Trauben gefüllte Entenbrust und danach Kuchen zu Gemüte, Reste vom letzten Abendessen, vervollständigt durch einen seltenen Marcassm Chardonnay.
Austin würde den Tag noch verwünschen, an dem er Perlmutter so freigiebig eingeladen hatte. Es gab ein neues französisches Restaurant in Alexandria, das er unbedingt einmal besuchen wollte. Vielleicht ein wenig kostspielig, aber versprochen war versprochen. Sein rotes rundes Gesicht verzog sich voller Vorfreude zu einem Lächeln. Austin würde eine adäquate Gegenleistung erhalten. Perlmutter wusste von vornherein, dass zum Thema Christoph Kolumbus eine unüberschaubare Menge an Literatur existierte. Viel zu viel, um einfach irgendwo mit der Suche zu beginnen. Er würde einen Führer brauchen, und er kannte jemanden, der dafür bestens geeignet war.
Nachdem er den Tisch abgeräumt hatte, schlug er in seine r Adresskartei nach und wählte eine Nummer in Übersee.
»Buenas tardes«,
meldete sich eine tiefe Stimme.
»Guten Abend, Juan.«
»Ah, Julien! Was für eine angenehme Überraschung. Ich hoffe, es geht dir gut.«
»Sehr gut. Und dir, alter Freund?«
»Ich bin inzwischen älter als bei unserem letzten Gespräch«, sagte der Spanier und kicherte, »aber lass uns über angenehmere Themen reden. Ich vermute, du möchtest mir mitteilen, dass du mein Rezept für
cordonices emhoja de parra
ausprobiert hast.«
»Die Wachteln in Weinblättern waren ganz vorzüglich. Ich bin deinem Rat gefolgt und habe jede Wachtel mit einer frischen Feige anstatt mit der üblichen Thymian- und Zitroneneinlage gefüllt. Das Ergebnis war sensationell. Und für den Grill habe ich Mesquiteholz verwendet.«
Perlmutter hatte Juan Ortega in Madrid bei einem Treffen von Sammlern seltener Bücher kennen gelernt. Sie stellten fest, dass sie sich nicht nur für alte Folianten interessierten, sondern auch eine Vorliebe für gutes Essen teilten. Seitdem versuchten sie, sich mindestens einmal im Jahr zu treffen, um in kulinarischen Genüssen zu schwelgen und Rezepte auszutauschen.
»
Mesquite!
Was für ein genialer Einfall. Eigentlich sollte es mich nicht überraschen. Es freut mich, dass dir das Rezept gefallen hat. Zweifellos hast du auch einen Tipp für mich.«
Perlmutter konnte beinahe hören, wie Ortega sich die Lippen leckte. »Ja, gleich. Aber es gibt noch einen Grund für meinen Anruf. Ich benötige heute nicht die Unterstützung des Meisterkochs, sondern die von Juan Ortega, dem größten lebenden Fachmann zu Fragen über Christoph Kolumbus.«
»Das ist zu viel der Ehre, mein Freund«, erwiderte Ortega.»Ich bin lediglich einer von
vielen
Historikern, die Bücher zu diesem Thema verfasst haben.«
»Aber du bist der einzige Gelehrte, der scharfsinnig genug ist, um mir bei einem höchst ungewöhnlichen Problem zu helfen.
Der Geist von Señor Kolumbus scheint im Mittelpunkt einiger ziemlich merkwürdiger Vorkommnisse zu stehen. Lass es mich dir erklären.« Dann umriss Perlmutter die wesentlichen Ereignisse, wie Austin sie ihm berichtet hatte.
»Eine seltsame Geschichte«, sagte Ortega am Ende des Vortrags. »Vor allem im Hinblick auf einen Vorfall, der sich kürzlich zugetragen hat. Vor ein paar Wochen wurde hier in Sevilla im Zusammenhang mit Kolumbus eine Straftat begangen. Aus der Biblioteca Columbina in der großen Kathedrale von Sevilla wurde ein Papier des Kolumbus entwendet. Womöglich ein Zufall?«
»Vielleicht ja, vielleicht nein. Was wurde gestohlen?«
»Ein Brief betreffend die fünfte Reise des Kolumbus. Er war an seine Gönner gerichtet, König Ferdinand und Königin Isabella. Genau genommen nur an den
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