Das Todeswrack
herausstellen.«
»In welcher Hinsicht, Juan?«
»Dreiundzwanzig Jahre lang hatte sie es geschafft, die Sammlung vor ihrem Sohn Luis zu bewahren. Jetzt befand sich alles in seinem Besitz. Es war eine Katastrophe. Er durchwühlte die Sammlung nach Papieren, die er zu Geld machen konnte, um seinen zügellosen Lebensstil zu finanzieren. Die Barcelona-Kopie verschwand für alle Zeiten. Vermutlich hat irgend jemand sie ersteigert.«
»Falls sie wieder auftauchen würde, dürfte sie auch heute noch ein hübsches Sümmchen wert sein, schätze ich.«
»Allerdings, aber das werden wir beide vermutlich nicht mehr erleben. Zum Glück gelangte die Kopie vor ihrem Verschwinden in die Hände eines Freunds der Familie, nämlich des Dominikanermönchs Las Casas, der eine handschriftliche Inhaltsangabe des Logbuchs erstellte. Er hat Kolumbus sehr in Schutz genommen und alles ausgelassen, was ihm unangemessen erschien, aber insgesamt ist es eine gute Zusammenfassung.«
»Ich bin nicht sicher, was das mit dem gestohlenen Dokument zu tun hat.«
»Geduld, mein Freund. Dieser Brief über die angebliche
fünfte
Reise soll, so heißt es, auch von Las Casas transkribiert worden sein. Es handelt sich wiederum um einen Abriss, der Auszüge eines längst verlorenen Logbuchs umfasst.«
»Hast du ihn gesehen?«
»Oh, allerdings, er galt als Kuriosität. Ich habe ihn sogar mit dem ursprünglichen Las-Casas-Dokument verglichen, das in der Biblioteca Nacional in Madrid liegt. Es handelt sich um eine exzellente Fälschung. Lässt man den Inhalt außer Acht, wäre ich mir zu neunundneunzig Prozent sicher, dass der Text tatsächlich von Las Casas geschrieben wurde.«
»Erinnerst du dich noch an den Inhalt?«
»Das werde ich nie vergessen. Es las sich wie eine dieser fantastischen Geschichten über versunkene Städte, die im Spanien des fünfzehnten Jahrhunderts äußerst populär gewesen sind. Kolumbus war im Jahre 1502 zu seiner vierten und letzten Reise aufgebrochen. Ihr waren eine Reihe von Unglücken, Enttäuschungen und ein Nervenzusammenbruch vorausgegangen. Das Königshaus hielt ihn inzwischen zwar für einen Spinner, glaubte aber dennoch, dass er vielleicht zufällig etwas Nützliches finden würde. Er war nach wie vor davon überzeugt, Asien entdeckt zu haben, und er hoffte auf die Erschließung reicher Goldvorkommen, so dass diese Reise seinen angeschlagenen guten Ruf wiederherstellen würde.«
»Und – hat sie?«
»Im
Gegenteil!
Seine vierte Reise war ein schmachvoller Fehlschlag. Er verlor vier Schiffe und saß lange Zeit auf Jamaika fest, von Malaria und Arthritis geplagt. Dennoch behauptet der gestohlene Bericht, Kolumbus wäre nach Spanien zurückgekehrt, hätte insgeheim mit eigenen Mitteln ein Schiff ausgerüstet und wäre dann erneut in die Neue Welt gefahren, um noch ein letztes Mal nach dem unermesslichen Goldschatz zu suchen, von dem er auf seiner allerersten Reise gehört hatte.«
»Verrät dieses Logbuch, was auf der angeblichen Fahrt geschehen ist?«
»Der Fälscher hat sich einer sehr geschickten literarische n Technik bedient, um den Leser im Unklaren zu lassen. Ab einem gewissen Punkt wird die Erzählung von einem Angehörigen der Mannschaft übernommen. Dann endet dieser Teil abrupt. Wir erfahren nie, ob das Schiff auf seiner Mission Erfolg gehabt hat. Oder ob es je nach Spanien zurückgekehrt ist.«
»Vielleicht ist das Schiff ja untergegangen, und das Logbuch wurde später von anderen Reisenden gefunden.«
»Ja, da siehst du mal, was für ein hübsches Märchen das ist.«
»Was wäre, falls es sich nicht um eine erfundene Geschichte handeln würde, Juan?«
Wieder das herzliche Lachen. »Wie kommst du darauf?«
»Aus mehreren Gründen. Warum sollte jemand eine solch hervorragende Fälschung erstellen?«
»Ganz einfach. Um es mal auf die Verhältnisse in deinem Land zu übertragen: Falls du jemandem die Brooklyn Bridge verkaufen wolltest, wäre es äußerst vorteilhaft für dich, eine Urkunde mit vielen offiziellen Siegeln und Unterschriften zu besitzen.«
»Ein überzeugendes Argument, Juan. Aber falls ich einen Idioten fände, der dumm genug ist, mir Geld für etwas zu zahlen, das ich eindeutig nicht besitze, könnte ich die Urkunde auch selbst unterzeichnen und mich mit dem Erlös aus dem Staub machen. Es wäre gar nicht nötig, offizielle Unterschriften zu fälschen.«
»Dieses spanische Dokument würde aber weitaus genauer untersucht werden als bei deinem fiktiven Brückenhandel.«
»Das meine
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