Das Todeswrack
haben die Schüsse gehört.«
Chi nahm die Machete und den Rucksack des Toten. »Der Fluss ist unsere einzige Chance. Auch falls wir wüssten, wo wir uns befinden, wäre es zu riskant, einen Fußmarsch quer durch das Land zu versuchen.« Er musterte den blutigen Körper der Schlange. »Wie Sie sehen, gibt es im Wald weitaus tödlichere Geschöpfe als die
chicleros
.«
»Sie gehen vor, ich folge Ihnen«, stimmte Gamay ihm anstandslos zu. Sie arbeiteten sich durch den dichten Wald voran. Chi folgte seinem inneren Kompass, bis sie einen rund neunzig Zentimeter breiten Pfad erreichten, der so ausgetreten war, dass der weiße Kalkstein zutage trat.
»Das ist der Weg, von dem ich gesprochen habe.«
»Riskieren wir denn nicht, jemandem in die Arme zu laufen, falls wir den Pfad benutzen?«
»Da bin ich mir nicht so sicher. Wissen Sie noch, was der große Mann gesagt hat? Er wollte Rache für seine Männer nehmen. Ich spiele den Kundschafter. Halten Sie sich ein Stück hinter mir, und sobald ich Ihnen ein Signal gebe, verschwinden Sie so schnell wie möglich im Dickicht.«
Sie gingen weiter. Der Pfad verlief ungefähr parallel zum Fluss. Man konnte das Wasser zwischen den Bäumen hindurch funkeln sehen. Gamay blieb hinter dem Professor. Sie kamen ungehindert voran. Abgesehen von den heiseren Vogelschreien, die beständig an ihre Ohren drangen, bekamen sie nur ein einziges Lebewesen zu Gesicht, und zwar ein Faultier, das ihnen von einem überhängenden Ast aus träge entgegenblinzelte.
Chi blieb stehen und winkte Gamay zu sich heran. Dann verschwand er hinter einer Wegbiegung. Als Gamay ihn erreichte, stand er an einem kleinen Sandstrand. Unter einem Dach aus Baumstämmen und Palmblättern, das sowohl vor Blicken vom Wasser als auch aus der Luft schützte, lagen drei Prahme, die genauso aussahen wie der, den sie verloren hatten.
Der Fluss war an dieser Stelle kein reißendes Ungeheuer mehr, sondern strömte erneut langsam und blaugrün seinem unbekannten Ziel entgegen.
»Sieht so aus, als hätten die
chicleros
Boote auf beiden Seiten der Stromschnellen gehabt«, stellte Chi fest. »Wenn sie etwas transportieren wollten, konnten sie die Fracht über den Pfad zur nächsten Anlegestelle schleppen.«
Gamay hörte ihm nur mit einem Ohr zu. Sie kehrte vom Flussufer zurück, untersuchte die kalte Asche eines Lagerfeuers und bemerkte eine Plattform, die auf Pfeilern ruhte. Auf der Plattform hatte man ein Gebäude mit Flachdach errichtet, das wie das Baumhaus eines Kindes aussah. Gamay öffnete die Tür, die geschlossen, aber nicht verriegelt war, und schaute vorsichtig hinein. Sie sah mehrere Treibstoffkanister und eine große metallene Kühltruhe. Sie klappte den Deckel hoch.
»Professor Chi«, rief sie. »Ich habe etwas Wichtiges gefunden.«
Chi kam angelaufen, und als er die blaue Dose in ihrer Hand erkannte, zeigte sich das breiteste Grinsen, das sie bislang an ihm gesehen hatte, auf seinem Gesicht.
»Schweinefleisch«, flüsterte er ehrfurchtsvoll.
In der Kühltruhe fand sich noch wesentlich mehr davon.
Außerdem gab es Gemüse und Säfte in Dosen, flaschenweise Wasser sowie Tortillas in luftdicht verschlossenen Plastikbehältern. Andere Dosen enthielten Sardinen und Corned Beef. Die primitive Hütte beherbergte Taschenlampen und Werkzeuge. Die wasserfesten Streichhölzer waren überaus willkommen, ebenso der tragbare Kocher. Seife gab es auch.
Chi und Gamay suchten sich jeder eine andere Stelle am Flussufer und wuschen sich und ihre Kleidung, die in der heißen Sonne schnell wieder trocknete.
Nach ihrem Bad und einer stärkenden Mahlzeit aus Hackfleisch und Eiern erkundete Chi die Umgebung, während Gamay Essen und Vorräte zusammenpackte. Es war so ruhig, dass es beinahe unheimlich wirkte, aber sie beschlossen, nicht lange zu bleiben.
Sie beluden ein Boot mit Vorräten und sabotierten eines der beiden anderen, indem sie den Kahn mit Felsen beschwerten und versenkten. Dann suchten sie sich den besten Außenborder aus und versteckten die anderen zwei Motoren im Wald. Sie stiegen ein und legten ab, das Vorratsboot hinter sich im Schlepptau. Mit geringerer Drehzahl, nur wenig höher als der leise Leerlauf, fuhren sie langsam voran, kaum schneller als die Strömung.
Sie hatten noch keine ganze Meile zurückgelegt , als der Flussscharf nach rechts abbog. In einer kleinen Bucht, direkt vor der Biegung des Flussbetts, trieben neben zahlreichem Unkraut und ein paar Ästen zwei gekenterte Aluminiumprahme, deren Böden
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