Das Todeswrack
fingerte an seinen Instrumenten herum und zeigte dann auf die Benzinuhr. Leer. Er beugte sich vor und hielt über dem geschlossenen Blätterdach nach einem möglichen Landeplatz Ausschau. Der Motor würgte wie ein Cholerakranker. Das Husten hörte auf, dann ein letztes kurzes Stottern, gefolgt von beängstigender Stille. Der Motor war gänzlich ausgefallen. Sie stürzten wie ein Stein zu Boden.
27.
»Keine Bewegung, Dr. Gamay«, drang Chis sanfte, aber unnachgiebige Stimme durch die Dunstschwaden. Langsam hob Gamay die verklebten Lider. Sie hatte das seltsame Gefühl, in einem zitternden See aus grünem Wackelpudding zu schwimmen. Die gallertartigen Tropfen gewannen an Konturen und wurden schließlich zu Blättern und Grashalmen. Sie wurde wieder Herr ihrer Sinne. Nach dem Sehvermögen folgte der Geschmackssinn; etwas Bitteres lag auf ihrer Zunge. Dann der Tastsinn. Sie griff sich an den feuchten, klebrigen Kopf und traf auf etwas Nasses und Weiches, als läge ihr Gehirn frei. Ihre Hand zuckte reflexartig zurück.
Finger gruben sich in ihre Schulter. »Nicht noch einmal bewegen, oder Sie sterben. Der alte Gelbbart beobachtet uns.«
Chis Stimme war ruhig, aber angespannt. Gamay erstarrte mitten in der Bewegung.
Sie lag auf der linken Seite. Chi war hinter ihr, nicht in ihrem Sichtfeld, aber dicht genug, dass sie seine n Atem am Ohr spüren konnte.
»Ich sehe niemanden«, sagte sie. Ihre Zunge fühlte sich geschwollen an.
»Direkt vor Ihnen, ungefähr vier Meter entfernt. Wunderschön und tödlich. Denken Sie daran, sich nicht zu rühren.«
Gamay wagte kaum zu blinzeln. Ihr Blick schweifte über das Gras und fiel auf einen seltsam gefärbten Klumpen. Kurz darauf erkannte sie ein Muster aus schwarzen Dreiecken auf olivgrüne m Hintergrund. Dann endlich wurde ihr klar, was sie da vor sich sah: den zusammengerollten Körper einer ziemlich langen Schlange. Der pfeilförmige Kopf mit der gelblichen Kinn- und Kehlenpartie war erhoben. Die Schlange befand sich so dicht vor Gamay, dass diese die vertikalen Pupillen des Tiers sehen konnte, außerdem die kleinen Gruben des Wärmerezeptors, die wie zwei zusätzliche Nasenlöcher aussahen, und sogar die lange schwarze Zunge, die aus dem Maul schnellte.
»Was für eine ist das?«, fragte sie. Die wissenschaftliche Neugier war stärker als ihre Angst.
»
Barha amarilla.
Eine recht große, wie es scheint. Manche Leute sagen einfach Lanzenotter.«
Eine Lanzenotter! Gamay wusste genug über Schlangen, um zu erkennen, dass sie sich hier Auge in Auge mit einem Killer befand. Sie bekam eine Gänsehaut. Und sie fühlte sich völlig schutzlos. »Was sollen wir tun?«, flüsterte sie und beobachtete, wie der flache Kopf sich vor und zurück bewegte, als folge er dem Takt einer Melodie.
»Keine Panik. Die Schlange dürfte sich bald von der Stelle bewegen, um dem direkten Sonnenlicht auszuweichen.
Vermutlich wird sie den schattigen Fleck dort drüben ansteuern.
Falls sie aber in unsere Richtung kommt, bleiben Sie bitte, wo Sie sind, und ich lenke das Tier ab.«
Gamay lag auf ihre Ellbogen gestützt da, eine Haltung, die mittlerweile unbequem geworden war und ihr Schmerzen bereitete. Sie fragte sich, wie lange sie es wohl noch in dieser Position ausha lten würde. Zwar wollte sie, dass die Schlange sich bewegte, aber bitte nicht in ihre Richtung.
Einige Minuten später fasste das Tier einen Entschluss und entrollte sich zu voller Länge. Wie Chi gesagt hatte, handelte es sich um ein ansehnliches Exemplar, ungefähr so lang, wie ein Mann groß war. Die Schlange glitt lautlos durch das Gras bis in den Schatten eines kleinen Baums. Neben Chis Machete, die an dem Stamm des Baums lehnte, rollte sich das Tier wieder zusammen.
»Sie können sich jetzt bewegen. Die Otter schläft. Setzen Sie sich langsam auf.«
Gamay drehte sich um und sah, dass Chi hinter ihr kniete. Er legte einen großen Stein aus der Hand.
»Wann ist sie aufgetaucht?«
»Ungefähr eine halbe Stunde, bevor Sie aufgewacht sind.
Normalerweise ziehen Schlangen sich zurück, falls sie Gelegenheit dazu erhalten, aber bei Gelbbart kann man sich nie sicher sein, vor allem, wenn man ihn aus dem Schlaf reißt. Er kann ziemlich aggressiv werden. Na ja, falls er will, kann er meine Machete vorerst gern behalten. Wie geht es Ihnen?«
»Ganz gut, aber jemand scheint meinen Kopf als Football benutzt zu haben. Was ist das für ein Brei anstelle meiner Haare?«
»Ich habe eine Packung aus Heilkräutern angefertigt. Die
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