Das Todeswrack
hob den Bolzenschneider, als wäre er ein Indianerkrieger, der mit seinem Tomahawk gegen die Gewehre der Kavallerie antreten wollte. Dann verschmolz er mit der Dunkelheit auf der anderen Seite des Lastwagens, direkt jenseits des Motorraums. Austin hebelte zwei weitere Edelsteinkassetten auf.
Es war, als würde er Kästen voller Sterne öffnen. Sogar unter Wasser strahlten die Diamanten, Saphire und Rubine mit blendender Helligkeit. Er stellte die Kassetten nebeneinander im Innern des Wagens auf, so dass man sie gut sehen konnte. Um den dramatischen Effekt zu steigern, legte er einige Schädel dazu. Dann zog auch er sich von dem Wagen zurück, bis er ebenfalls von der künstlichen Nacht im Innern des großen Schiffs verhüllt wurde. Er schwebte mitten in der ausgedehnten Leere und schaute immer wieder vom Laster zu der Öffnung über ihnen und zurück. Obwohl es in seinem Anzug trocken und kühl war, schwitzte er.
An dem Loch im Rumpf wurde ein Lichtschein sichtbar. Dann glitten zwei Taucher in das Schiff wie Frettchen in einen Kaninchenbau. Die Strahlen ihrer Taschenlampen stachen durch die Dunkelheit und sondierten die Gegend. Als Austin sah, wie zögernd die beiden eindrangen, erinnerte er sich an die Vorsicht, die er und Zavala beim ersten Betreten des Wracks hatten walten lassen, an die nervöse Anspannung bei dem Vorstoß ins Unbekannte und an die Schwierigkeiten, sich an diese wirre verkehrte Welt zu gewöhnen, in der es anfangs kein Oben und Unten mehr zu geben schien. Er hoffte, dass auch die anderen zunächst so verwirrt sein würden. Und dass ihr Blick ganz natürlich auf das einzige sichtbare Objekt in der schwarzen Leere fallen würde: auf den gepanzerten Lastwagen, der völlig deplatziert wirkte.
Die Taucher schwammen hin und her und berieten vermutlich ihr weiteres Vorgehen oder hielten nach einer Falle Ausschau.
Dann glitten sie dicht nebeneinander auf den Wagen zu, glichen den Sog der Strömung aus und näherten sich immer mehr, bis ihre brünierten Anzüge sich am Rand der erleuchteten Öffnung abzeichneten.
Austin fluchte. Sie schwebten Schulter an Schulter. Solange sich das nicht änderte, war sein Plan nutzlos. Und er und Zavala vielleicht bald tot. Dann kam ihm die menschliche Natur zur Hilfe. Einer der Taucher drängte den anderen beiseite. Er befand sich jetzt genau in der Mitte der Öffnung, beugte sich vor und schaute in den Laderaum des Wagens. Austins Mund verzog sich zu einem grimmigen Lächeln.
Gier zahlt sich nicht aus, mein Freund.
Er alarmierte Zavala. »Ich beschleunige auf Rammgeschwindigkeit.«
»Ich schneide«, erwiderte Joe.
Austin gab auf beiden lateralen Schubdüsen Vollgas und zielte auf das Hinterteil des Wagens. Der Anzug beschleunigte langsam und gewann dann an Schwung, nachdem seine halbe Tonne Gewicht die Massenträgheit und den Wasserwiderstand überwunden hatte.
Er schoss direkt auf den Laster zu, wie eine Bowlingkugel, die den letzten Kegel erwischen will. Er hoffte inständig, dass der Taucher sich nicht bewegen würde.
Keinesfalls wollte er später mit Zavala auf einer Wolke sitzen und sich bis in alle Ewigkeit daran erinnern lassen, dass er seinen letzten Moment auf Erden als Nachbildung einer Ziehharmonika zugebracht hatte. Sein Glück blieb ihm treu. Der Taucher starrte wie gebannt auf die Juwelen und machte sich wahrscheinlich Gedanken darüber, wie er sie fortschleppen könnte.
Austin konzentrierte sich auf den breiten Metallhintern des Anzugs, direkt unterhalb der Kunststoffschale, die wie ein Schildkrötenpanzer die Lufttanks schützte.
Verdammt. Er war zu tief. Er gab kurz Vertikalschub.
Wieder auf Zielhöhe.
»Jetzt!«, schrie Austin, obwohl er wusste, dass gar kein Grund bestand, die Stimme zu erheben.
Während er voranschoss, hob er die Füße und versuchte sich vorzustellen, er säße auf einem unsichtbaren Rennschlitten.
Allerdings hemmten die Metallgelenke seine Bewegung, und so brachte er lediglich die Knie hoch.
Zavala war fieberhaft an der Arbeit. Der Bolzenschneider hatte bereits einige Stränge des vorderen Haltekabels des Lastwagens durchtrennt. Joe befürchtete, er würde zu früh fertig werden. Bei Austins lautstarkem Kommando drückte er die langen Griffe des Werkzeugs zusammen, und zwar mit all der Kraft, die er sich während seiner Zeit als Boxer durch viele Trainingsstunden am Sandsack erworben hatte. Das Kabel stand unter hoher Spannung und leistete zunächst einigen Widerstand. Dann auf einmal schnitten die
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