Das Tor des Suedens
möchte ich auch gern wissen«, brummte Sadagar. »Sehen wir uns mal die Höhle näher an.«
»Warten wir lieber noch ein wenig. Vielleicht kommen die anderen doch noch.« Hoffnungsvoll blickte Olinga zu den Öffnungen.
»Das glaube ich nicht. Sie wären schon längst hier. Wahrscheinlich wurden sie nicht mit in die Tiefe gerissen.«
»Dann stehen sie noch oben und kämpfen gegen die Eisbestien«, sagte Olinga tonlos. Ihre Angst um Nottr wuchs.
»Keine Sorge, Olinga. Nottr kann sich selbst schützen.«
Olinga presste die vollen Lippen zusammen, nickte langsam und drängte die Gedanken an Nottr zurück.
Bedächtig schritten sie auf die nächstliegende Wand zu, die – wie nicht anders erwartet – aus Eis bestand. Nischen und niedrige Gänge waren zu sehen.
»Was nun?« fragte Dardo.
Klirrende Schritte näherten sich. Sie drehten sich um, und Sadagar riss sofort eines der Wurfmesser hervor.
Ein alptraumhaftes Geschöpf taumelte näher. Es war doppelt mannshoch und wirkte wie das Zerrbild eines Menschen. Die riesigen Beine waren wie zwei dicke Baumstämme, der Rumpf gedrungen, und der kleine Kopf wies nur eine lippenlose Öffnung auf. Aus den Schultern wuchsen etwa ein Dutzend tentakelartige Arme hervor, die in zehnfingrigen Händen endeten. Der Körper des Monsters bestand aus schillerndem Eis.
»Es kommt auf uns zu!« schrie Olinga entsetzt.
Sadagar brachte sein Messer zum Glühen, dann zielte er, und das lodernde Messer raste auf das Monstrum zu, das gar nicht den Versuch unternahm, der heranfliegenden Waffe auszuweichen.
Der Steinmann hatte gut getroffen. Die glühende Messerspitze blieb in der Mundöffnung stecken und fraß sich gierig tiefer in den Eiskopf hinein. Der Schädel schmolz unter der gewaltigen Hitze. Nun glitt das Messer in den Leib hinein. Risse durchzogen den Körper, und das Eismonstrum wurde vom glühenden Messer in zwei Hälften geteilt, die schwer auf dem Boden aufschlugen und mit einem lauten Knall zersprangen.
Grinsend hob Sadagar das Messer auf, aber das Grinsen erstarb, als weitere Eiswesen in die Höhle strömten.
»Da bleibt uns nur die Flucht«, sagte Sadagar. »Hier, nimm mein Messer, Olinga!«
Er reichte ihr das Hitze ausströmende Messer, dann zog er ein weiteres aus dem Gürtel, brachte es zum Glühen und gab es an Dardo weiter.
»Sollte es zu glühen aufhören, dann braucht ihr nur Usikate zu sagen.«
Nun nahm Sadagar in jede Hand ein Messer. »Karne!« rief er. Die Dolche glühten.
Eines der Monstren hatte sich bis auf etwa zwanzig Fuß genähert. Sadagar schleuderte ein Messer nach ihm, und wieder traf er den Kopf.
Die anderen Monstren schenkten ihrem schmelzenden Artgenossen keine Beachtung. Sie stapften an ihm vorbei; eines blieb stehen, und vor seinem Mund hing plötzlich eine faustgroße Wolke, die rasch größer wurde. Das unheimliche Geschöpf wandte den Kopf Sadagar zu, und dann schoss ein eisiger Strahl auf den Steinmann zu, der zurücksprang. Aber der eisige Hauch hatte ihn gestreift und augenblicklich seine Beine gelähmt.
»Ich kann mich nicht bewegen!« schrie er und warf das zweite Messer, bevor ihn ein weiterer Eishauch treffen konnte. »Flieht!«
Olinga zögerte noch, doch da stapften drei Monstren heran. Mit Mühe konnte sie einer Eiswolke ausweichen, die auf sie zuraste. Sie lief auf den nächsten Gang zu, verschwand darin, blieb stehen und sah zurück.
Dardo folgte ihr, doch eines der Monstren setzte ihm nach. Der eisige Strahl griff nach ihm, hüllte ihn ein und überzog seinen Körper mit einer dünnen Eisschicht. Nur sein Kopf war eisfrei geblieben.
»Ich bin gelähmt!« schrie Dardo. »Lauf, Olinga! Lauf um dein Leben!«
Die tentakelartigen Arme griffen nach Sadagar, hoben ihn hoch, und dann war der Steinmann für Olinga nicht mehr zu sehen.
Olinga konnte den beiden nicht helfen. Sie rannte nun in den Gang hinein, der nach wenigen Schritten höher und breiter wurde. Armdicke Eiszapfen hingen von der Decke. Das glühende Messer war ihr eine große Hilfe, denn an vielen Stellen wuchsen die Eiszapfen so dicht nebeneinander, dass sie nicht hindurchschlüpfen konnte, ohne sie abzusägen.
Dann lag eine riesige Höhle vor ihr. Olinga schrie, als sie die durchsichtigen Eisblöcke sah, in denen sich grauenvolle Ungeheuer befanden.
Und diese abstoßenden Kreaturen schienen in den Eisgefängnissen zu leben! Sie hörte unmenschliche Schreie, Fauchen und Knurren, als sie mit hämmerndem Puls an den Blöcken vorbeirannte. Sie wagte nicht, nach
Weitere Kostenlose Bücher