Das Tor ins Nichts
nicht mehr richtig.
Es tat seinen Dienst, aber wie ein schlecht abgestimmter Radiosender verzerrte es das, was im Empfänger ankam, fast bis zur Unkenntlichkeit. Und damit schied die Möglichkeit, einfach hindurchzugehen und nachzuschauen, von vornherein aus. Aber vielleicht gab es einen anderen Weg.
Ich schloß die Tür wieder, so gut es ging, trat abermals an den Schreibtisch heran und begann hastig in den Schubladen herumzusuchen. Nach einer Weile hatte ich gefunden, was ich brauchte: ein gut zwei Yards langes Stück Bindfaden und einen ganz ordinären Aktenlocher. Ich band den Locher an das eine Ende des Strickes, ging wieder zur Uhr und warf ihn schwungvoll hindurch.
Es war ein gespenstischer Anblick: Wie der Briefbeschwerer zuvor verschwand auch der Locher, gefolgt von dem Bindfaden, an dem er hing und dessen anderes Ende ich festhielt.
Dann spannte sich der Strick für einen Moment, obwohl er wie abgeschnitten in der Luft endete, kaum einen Inch hinter der Tür, und erschlaffte wieder, als der Locher für mich unsichtbar zu Boden fiel.
Ich zögerte einen Moment, ging in die Hocke und begann meine improvisierte Angelleine vorsichtig einzuziehen.
Nach einer Weile tauchte der Locher wieder auf, Millimeter um Millimeter.
Ich zog ihn ein Stück weit in die Bibliothek hinein, drehte ihn mit spitzen Fingern um und betrachtete ihn konzentriert.
Ich konnte keine Veränderung feststellen; er hatte ein paar Kratzer, und an seiner Unterseite klebte ein wenig übelriechender Morast, aber das war alles. Andererseits dieser Locher war schließlich kein lebendes Wesen. Dann kam mir eine Idee.
Mit etwas Glück würde ich in ein paar Minuten vielleicht doch wissen, wie es auf der anderen Seite des Tores aussah.
In aller Hast verließ ich das Arbeitszimmer, stürmte die Treppe hinunter und in die kleine Kammer an der Rückseite des Hauses, die ich mir als Hobbyraum eingerichtet hatte. Gute zehn Minuten lang durchwühlte ich sämtliche Schränke und Schubladen, ehe ich ein Geräusch hinter mir hörte und Mary erkannte, die in der Tür erschienen war und mich vorwurfsvoll anblickte.
Ich gab ihr nicht einmal Zeit, eine Frage zu stellen. »Wo ist die Polaroidkamera?« fragte ich. »Schnell, Mary ich brauche sie.«
»Wo sie immer liegt«, antwortete Mary verstört. »Dort im Schrank, auf dem obersten Brett. Aber warum …«
Ich hörte gar nicht mehr hin, sondern riß die Schranktüre auf, nahm die kleine Sofortbildkamera an mich und stürmte wieder aus dem Raum. So etwas wie Jagdfieber hatte mich gepackt.
Ich war nicht verrückt genug, auf Grund des scheinbar positiven Ausganges meines kleinen Experiments mit dem Locher den Sprung durch ein Tor zu wagen, von dem ich weder wußte, wohin es führte, noch ob ich heil und unverletzt am anderen Ende ankommen würde, aber mit Hilfe eines Besenstieles, eines Streifens Klebeband und des Selbstauslösers der Polaroid würde ich vielleicht in wenigen Minuten wissen, wer mir diese niedlichen Haustierchen geschickt hatte.
Den Besen besorgte ich mir aus der Küche, rannte Mary, die mir nachgekommen war, ein zweites Mal fast über den Haufen und hetzte, immer drei Stufen auf einmal nehmend, wieder die Treppe hinauf. Die arme Mary mußte mich wohl für endgültig übergeschnappt halten, als ich so an ihr vorüberjagte, einen Besen in der linken, die Polaroidkamera in der rechten Hand und ein triumphierendes Grinsen auf den Lippen. Ich würde mir wieder einmal eine Geschichte ausdenken müssen, wenn ich fertig war.
Als ich in das Zimmer stürmte, huschte Merlin zwischen meinen Beinen hindurch und brachte mich fast zu Fall. Ich bedachte den Kater mit einer lautlosen Verwünschung, versuchte ihn zu erwischen und griff selbstverständlich daneben, denn der Albinokater war nicht halb so langsam, wie sein pudelgroßes Äußeres vermuten ließ. Aber ich hatte im Moment keine Zeit, mich mit ihm zu beschäftigen. Hastig schloß ich die Tür hinter mir wieder ab, ging zum Schreibtisch und begann, die Polaroidkamera mittels einer Unmenge Klebeband am Ende des Besenstieles zu befestigen. Nachdem ich mich davon überzeugt hatte, daß, das Magazin frisch geladen war und sowohl der Selbstauslöser als auch das Blitzlicht funktionierten, ging ich wieder zur Uhr, zog die Tür auf und ließ mich auf die Knie herab. Meine Hände zitterten vor Aufregung, als ich den Selbstauslöser der Kamera betätigte und sie mittels des Besenstieles durch das Tor schob.
Eine Sekunde später schrie ich entsetzt auf,
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