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Das Tor ins Nichts

Titel: Das Tor ins Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Anweisungen, deren bloßes gedankenloses Vorlesen schon unsagbaren Schaden anrichten konnte: Es waren das Chaat Aquadingen und die Pnakotischen Manuskripte, und zusätzlich eine uralte, handgemalte Karte des sagenhaften Landes M’nar, das irgendwo jenseits der Grenzen der Wirklichkeit liegen soll. Mit klopfendem Herzen öffnete ich die Manuskripte und begann darin zu blättern. Ich suchte nach genaueren Hinweisen auf die Tore der Großen Alten. Der Vormittag verging. Ich hatte etwa vier Stunden konzentriert gelesen, ohne viel mehr erfahren zu haben, als was ich ohnehin schon wußte, und meine Augen begannen allmählich zu brennen, denn es war sehr mühsam, die uralten, in einem Dutzend verschiedener Sprachen niedergeschriebenen Handschriften zu entziffern, als das Telefon auf meinem Schreibtisch schrillte. Ärgerlich auch ein bißchen erschrocken sah ich auf. Man muß dazu wissen, daß das Telefon in diesem Raum eine andere Nummer hat als mein normaler Anschluß; eine, die außer mir nur noch eine Handvoll enger Freunde kannte. Ich nahm den Hörer ab.
    Es war Jeremy. Und er brachte mir die dritte unangenehme Überraschung des Tages. Wie üblich kam er sofort zur Sache:
    »Ich habe eine der Ratten untersuchen lassen, Robert«, sagte er.
    »Zwei«, korrigierte ich ihn. »Ich weiß. Ich habe gesehen, wie du sie beiseite geschafft hast. Und?«
    »Wo ist deine Katze?« fragte Jeremy anstelle einer direkten Antwort.
    Ich fuhr zusammen und blickte zur Uhr. »Merlin? Warum?« fragte ich.
    »Er hat eines von den Viechern geschlagen, nicht wahr?«
    »Ja«, antwortete ich. »Aber was soll das? Ich …«
    »Ist das Tier gegen Tollwut geimpft?« fragte Jeremy.
    Diesmal dauerte es einen Moment, ehe ich antwortete. Ein eisiger Schrecken durchfuhr mich. »Sicherlich. Warum denn?«
    Jeremy atmete hörbar ein. »Das will ich dir sagen, Robert.
    Die beiden Ratten, die ich ins Labor gebracht habe, waren bis zum Kragen mit Tollwutbakterien vollgestopft. Einer besonders heimtückischen Abart sogar. Und ich bin ziemlich sicher, daß die anderen genauso krank waren. Unser Chefbiologe ist ganz aus dem Häuschen. Er behauptet, daß die Tiere eigentlich gar nicht mehr hätten leben dürfen.«
    Erneut verspürte ich einen raschen, eisigen Schauer. »Du meinst …«
    »Ich meine«, unterbrach mich Jeremy, »daß das heute nacht kein geschmackloser Scherz war, Robert. Es war ein Mordanschlag. Wenn die Tiere noch gelebt hätten, als du ins Zimmer kamst, wären sie über dich hergefallen und hätten dich zerfleischt. Und selbst wenn du es überlebt hättest, wärst du ein paar Tage darauf an der Tollwut gestorben.«
    »Oh«, sagte ich nur.
    »Ja, oh«, wiederholte Jeremy gereizt. »Also was ist mit der Katze?«
    »Merlin ist geimpft«, sagte ich rasch. »Aber ich schicke Harlan trotzdem gleich mit ihm zum Tierarzt. Man kann nie wissen.«
    »Tu das«, sagte Jeremy. »Und halte dich von der Uhr fern, bis wir Licht in die Sache gebracht haben versprochen?«
    »Versprochen«, sagte ich und hängte ein. Und diesmal nahm ich mir fest vor, mein Versprechen auch zu halten.

    Jeremy kam am späten Nachmittag, und er wirkte nervös und besorgt wie selten zuvor. Und obwohl ich mit Fug und Recht behaupten kann, daß er einer der wenigen wirklichen Freunde ist, die ich je besessen habe, gerieten wir im Laufe der folgenden Stunde an den Rand eines handfesten Streites, denn er unterzog mich einem Verhör, als säßen wir auf der Polizeiwachstube. Es gab nichts, was er nicht wissen wollte, keinen meiner Bekannten, über den er mich nicht akribisch ausfragte, kein Detail im Zusammenhang mit dem Tode meines Vaters, das er sich nicht wieder und wieder erklären ließ, obgleich er das meiste davon längst wußte. Schließlich platzte mir der Kragen, und ich fuhr ihn an:
    »Was zum Teufel soll das eigentlich? Du tust ja so, als wäre ich ein Schwerverbrecher!«
    Jeremy lächelte verzeihend, aber diesmal war es sein Berufslächeln kalt und ohne die geringste Spur eines menschlichen Gefühles. Wenn mein Freund Jeremy in die Rolle des Polizeicaptains Jeremy Card schlüpfte, dann war er Polizist bis in die Haarspitzen hinein. »Natürlich bist du das nicht«, sagte er.
    »Aber jemand ist hinter dir her, Robert. Jemand, der nicht besonders wählerisch in seinen Methoden ist.«
    »Aber dafür einfallsreich«, antwortete ich leichthin. Ich hatte flüchtig daran gedacht, ihm von meinem Ausflug auf die andere Seite des Tores zu erzählen, mich dann aber dagegen

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