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Das Tor ins Nichts

Titel: Das Tor ins Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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habe gleich Mittagspause«, sagte er.
    »Wenn Sie wollen, gehen wir eine Kleinigkeit essen. Ich kenne da ein nettes italienisches Restaurant, gleich um die Ecke.
    Einverstanden?«
    Natürlich war ich das obgleich mich sein Vorschlag einigermaßen überraschte. Ich war halb darauf gefaßt gewesen, verhaftet zu werden. Aber Dreistmeer machte weder irgendwelche finstere Andeutungen »Fliehen ist sowieso zwecklos, Mister Craven«, oder sonst etwas in dieser Richtung , noch legte er mir Handschellen an. Keine fünf Minuten später verließen wir das Polizeihauptquartier wie zwei altvertraute Freunde und flanierten gemächlich über die kaum befahrene Straße.
    Das Restaurant lag wirklich nur ein paar Schritte entfernt, wie Dreistmeer gesagt hatte. Er mußte hier wohl Stammkunde sein, denn wir hatten uns kaum gesetzt, als ein Ober herbeikam und nach unseren Wünschen fragte und das, obgleich das Lokal zu dieser Tageszeit Hochbetrieb hatte. Dreistmeer bestellte kurzerhand für uns beide, wartete, bis der Kellner wieder außer Hörweite war und zündete sich dann umständlich eine Zigarette an. Nachdem er mir die Packung hingehalten und ich den Kopf geschüttelt hatte, kam er endlich zum Thema.
    »Das waren Sie, nicht?« fragte er.
    »Was?« fragte ich obgleich ich ahnte, worauf er hinauswollte.
    »Der Mann, der den Zug RotterdamAmsterdam auseinandergenommen hat. Wenigstens einer von beiden.«
    »Verhaften Sie mich, wenn ich ja sage?« fragte ich zögernd.
    Dreistmeer lächelte und blies eine dünne Rauchwolke gegen die Decke. »Höchstens, wenn Sie nein sagen«, antwortete er.
    »Die Beschreibung paßt genau auf Sie. Ihr Gepäck war in dem zertrümmerten Abteil, und ich schätze, daß wir an die zweihundert Zeugen auftreiben können, wenn es sein muß. Was ist passiert?«
    Es dauerte einen Moment, bis ich antwortete, und ich war auch dann nicht sehr sicher, ob es klug war aber welche Wahl hatte ich schon?
    »Ich weiß es nicht genau«, sagte ich. »Das heißt, ich weiß natürlich, was passiert ist, aber nicht warum.«
    »Dann erzählen Sie mir erst das Was «, schlug Dreistmeer vor. »Vielleicht finden wir das Warum dann gemeinsam heraus.«
    Das tat ich. Ich untertrieb ein wenig, als ich über Eisenzahns unmenschliche Stärke berichtete, aber nicht viel letztendlich hatte er das zertrümmerte Abteil gesehen, und wahrscheinlich auch die Spuren, die seine Hände und Füße in den Wagendä
    chern hinterlassen hatten. Dreistmeer hörte geduldig zu, rauchte derweil seine Zigarette zu Ende und zündete sich gleich darauf eine zweite an, die er aber im Aschenbecher verqualmen ließ, ohne auch nur einmal daran zu ziehen. Erst, als ich zu Ende gekommen war, ergriff er wieder das Wort.
    »Das klingt fantastisch«, sagte er. »Aber es paßt zu dem, was ich gesehen habe.« Er schüttelte den Kopf. »Trotzdem kann ich es kaum glauben. Das Abteil sah aus, als wäre eine Bombe darin explodiert. Ein Mensch mit solchen Kräften, das ist …
    unvorstellbar.«
    »Er war kein Mensch«, antwortete ich.
    Dreistmeer blinzelte, und ich griff mit einer bewußt dramatischen Geste in die Tasche und zog das Glasauge heraus, das ich am Flußufer gefunden hatte. »Er war ein Roboter.«
    Dreistmeer blinzelte erneut, streckte die Hand aus und nahm mir das künstliche Auge mit spitzen Fingern ab. Ich hatte, schon während ich erzählte, überlegt, ihm die ganze Wahrheit zu sagen und warum auch nicht? Schließlich war er nicht mein Feind, sondern ein potentieller Verbündeter.
    »Ein Roboter?« sagte er schließlich. »Das gibt es nicht. Eine Maschine, die einen Menschen so täuschend nachahmt, daß sie eine Fahrkarte lösen und in einen Zug steigen kann, ohne aufzufallen … das ist Sciencefiction.«
    »Oder Zauberei«, sagte ich, fügte aber hastig hinzu: »Jedenfalls kommt es einem so vor, nicht wahr? Aber ich habe gesehen, wie der Kerl Metall zerrissen hat, mit bloßen Händen.«
    Dreistmeer drehte das Glasauge verwirrt zwischen den Fingern hin und her und schloß schließlich die Faust darum. »Darf ich das behalten?« fragte er. »Ich möchte es untersuchen lassen.«
    »Es nützt mir wohl nicht viel, nein zu sagen.«
    »Kaum«, antwortete Dreistmeer und ließ das Auge in der Jackentasche verschwinden.
    Der Ober kam mit dem bestellten Essen, und während er servierte, schwiegen wir beide. Erst danach, und auch dann sehr zögernd, stellte ich die Frage, die mir schon die ganze Zeit auf der Zunge brannte. »Verraten Sie mir eines, Inspektor«, sagte

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