Das Tor ins Nichts
was er miterlebt hatte. Er konnte es ja ganz offensichtlich selbst kaum glauben. Dem Hauptkassierer, der uns aus ungläubig aufgerissenen Augen angestarrt hatte, als wir aus der Stahlkammer herausgekommen waren, hatte ich erklärt, daß Frans sich verbotenerweise eine Zigarette angezündet und damit unabsichtlich die Sprinkleranlage ausgelöst hätte. Und wie Sanders der Putzkolonne gegenüber die Riesensauerei in der Stahlkammer begründen sollte nun, das war sein Problem. Ich war sicher, daß ihm etwas einfallen würde.
Frans nahm die Finger aus dem Wasser und betrachtete sie einen Moment lang stirnrunzelnd. Die Verbrennungen waren nicht schlimm; seine Fingerspitzen waren gerötet, das war alles. Aber es mußte verdammt weh tun. Er gab sich einen Ruck, setzte sich gerade auf und sah mir fest in die Augen.
»Ich verstehe kein Wort«, sagte er. »Glaubst du nicht, daß ich eine etwas genauere Erklärung verdient habe?«
»Hm«, machte ich was meiner Meinung nach in diesem Moment die einzig passende Antwort darstellte. Mir war klar, daß ich ihn nicht mehr mit Ausflüchten und Halbwahrheiten abspeisen konnte aber andererseits sträubte sich alles in mir dagegen, ihm die Wahrheit zu sagen. Möglicherweise würde er sie sogar glauben, nach dem soeben Erlebten. Aber die Geheimnisse der Großen Alten sind gefährlich, und sie richten mehr Schaden als Nutzen an, selbst in den Händen derer, die sie zum Guten verwenden wollen. Wie ich ja gerade sehr schlagend demonstriert hatte.
»Das ist keine sehr erschöpfende Auskunft«, meinte Frans.
Er schob die Wasserschüssel von sich und machte sich über das Essen her, das ihm der Ober gebracht hatte eine Riesenportion Geflügelleber mit einem halben Zentner Röstkartoffeln und ungefähr zehn Litern scharfer Sauce. Den Appetit hatte ihm der Schreck anscheinend nicht verdorben, wie ich bewundernd feststellte. Ich selbst hatte nur einen Salat bestellt, in dem ich lustlos herumstocherte.
»Nein«, gestand ich. »Das ist es nicht. Aber du würdest mir nicht glauben, wenn ich dir die Wahrheit erzählte.«
»Oh!« Frans grinste breit. »Laß es einfach auf einen Versuch ankommen. Nach dem kleinen Zauberkunststück, das du gerade mit meiner Hilfe aufgeführt hast, glaube ich alles.
Woher kommst du? Vom Mars oder aus der siebten Galaxis?«
Pflichtschuldig erwiderte ich sein Lächeln. Er würde seinen Humor brauchen, bei dem, was ich ihm gleich erzählen würde.
»Ich … muß ein bißchen ausholen«, antwortete ich. »Die Geschichte beginnt vor einer Woche in London.«
»Nicht auf dem Pluto?« vergewisserte sich Dreistmeer kichernd. Ich sah ihn scharf an. Was war das? Beginnende Hysterie?
»Nein«, antwortete ich. »Nicht auf dem Pluto. Und sie hat auch nicht mit Marsmenschen zu tun, sondern …« Ich grinste verlegen. »… mit meinem Kater.«
»Aha«, sagte Dreistmeer und mampfte weiter. Er sah aus wie ein Mann, der auf das Schlimmste vorbereitet war. Aber ich fühlte mich ebenso unwohl in meiner Haut wie er. Der Zwischenfall in der Stahlkammer hatte meine schlimmsten Befürchtungen bestätigt aber ich wußte nicht, wie ich es ihm erklären sollte, ohne zu viel zu verraten.
»DeVries ist mehr als ein normaler Verbrecher«, begann ich vorsichtig.
»So?« sagte Frans fröhlich. »Was denn dann?«
»In gewisser Beziehung könnte man ihn mit mir vergleichen«, antwortete ich ausweichend. Und fügte hastig hinzu:
»Allerdings setzt er seine besonderen Fähigkeiten anders ein als ich.«
»Besondere Fähigkeiten, so, so«, sagte Frans und ließ seine Gabel sinken. Das spöttische Glitzern in seinen Augen erlosch.
»Was bist du, Robert?« fragte er. »So eine Art Zauberer?«
Ich schüttelte den Kopf. »Das Wort Zauberer mag ich nicht«, antwortete ich ernsthaft. »Zauberer sind Leute, die in Varietes auftreten, und im Fernsehen. Ich bin ein Magier. Und ich fürchte, DeVries ist auch einer.«
Frans’ Lächeln gefror zu einer Grimasse. »Ein … Magier?«
vergewisserte er sich. Ich nickte, und Frans holte zweimal hintereinander sehr tief Luft, während sein Gesicht zusehends an Farbe verlor. »Ja«, murmelte er dann. »Genau das habe ich befürchtet.«
»Du glaubst mir nicht«, stellte ich fest.
Frans nickte und schüttelte gleich darauf den Kopf. »O doch, sicher«, sagte er. »Ich glaube einfach alles. Sag mir Bescheid, wenn die Jungs mit den weißen Jacken kommen und uns abholen.«
Eine Zeitlang schwiegen wir beide. Ich konnte Dreistmeers Reaktion nur zu gut
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