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Das Tor ins Nichts

Titel: Das Tor ins Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Pri schien es ebenso zu ergehen, denn sie erstarrte für eine halbe Sekunde und sah mich irritiert an.
    Dann machte sie sich los und wollte weitergehen, aber ich hielt sie abermals zurück, diesmal an der Schulter.
    »Bitte warte«, sagte ich. »Entschuldige. »Ich … habe es nicht so gemeint. Ich hatte einen schweren Tag, weißt du?«
    Ich hatte kaum damit gerechnet aber plötzlich lächelte sie wieder. Wie ernst sie ihre Drohung, auf der Stelle zu gehen, gemeint hatte, demonstrierte sie mir, indem sie ihre Handtasche auf den Tisch zurückwarf, sich wieder in den Sessel fallen ließ und mit den Fingern schnippte. Merlin sprang mit einem Satz auf ihren Schoß und kuschelte sich erneut zusammen. Einen Moment lang sah ich sie noch unschlüssig an, dann lächelte ich verlegen, nahm auf dem Sessel ihr gegenüber Platz und sah sie fragend an. »Wieso entschuldigen?« knüpfte ich an ihre unterbrochene Rede an.

    »Ich war ungerecht zu dir«, antwortete sie.
    »Ungerecht?«
    Pri nickte. »Ich … hielt dich für einen Verbrecher, oder zumindest für einen Grobian.«
    »Nun ja« nachdem sie einmal auf mein unausgesprochenes Angebot eingegangen war, blieb auch ich beim vertrauten Du
    »du hattest allen Grund dazu. Dein Vater hat mich eingeladen, und zum Dank verprügle ich seine halbe Anhängerschaft, entführe seine Tochter und fahre seinen Wagen zuschanden.
    Jedenfalls muß es für dich so ausgesehen haben.« Ich zögerte einen Moment. »Wieso hast du gelogen, als Frans hier war?«
    »Frans?«
    »Inspektor Dreistmeer«, sagte ich. »Du hättest mich auf der Stelle verhaften lassen können. Ehrlich gesagt hatte ich fest damit gerechnet.«
    Pri schwieg einen Moment, dann zuckte sie die Achseln.
    »Ich weiß es selbst nicht«, antwortete sie. »Aber ich bin froh, daß ich es nicht getan habe.« Sie sah mich aus großen Augen an, in denen fast so etwas wie Angst zu lesen war. »Ich habe noch einmal über alles nachgedacht, auf dem Weg nach Hause und auch später. Was hast du damit gemeint, er hätte deine Katze entführt?«
    »Merlin«, antwortete ich. »Er gehört mir. Ich habe ihn wiedererkannt, als dieser … Templer ihn auf dem Arm hatte.
    Einen Kater wie Merlin verwechselt man nicht.«
    Pri lächelte und kraulte Merlin ein wenig heftiger. Allerdings nur für einen Moment, denn der Kater schloß genießerisch die Augen und brachte sein Wohlbefinden durch rhythmisches Ein und Ausziehen der Krallen zum Ausdruck. Pri fuhr schmerzhaft zusammen, gab ihm einen leisen Klaps hinter die Ohren, und Merlin maunzte verzeihungheischend und stellte seine strumpfhosenverschleißenden Liebesbezeugungen ein.
    Ich staunte. Normalerweise gibt es kein sichereres Mittel, sich ein paar Schrammen einzuhandeln, als Merlin einen Schlag zu versetzen. Der Kater mußte sie wirklich tief in sein Herz geschlossen haben.
    »Willst du die Wahrheit wirklich hören?« fragte ich. Pri nickte, und ich fügte hinzu: »Sie wird dir nicht gefallen.«
    »Das macht nichts«, antwortete sie. »Was mein Vater mir erzählt hat, hat mir auch nicht gefallen.«
    »Und was hat er erzählt?«
    »Nichts«, sagte Pri ausweichend.
    Ich zuckte die Schultern, setzte mich ein wenig bequemer hin und spürte mit einemmal wieder, daß ich noch immer naß bis auf die Unterwäsche war. Vorhin im Restaurant war es mir nur lästig gewesen. Jetzt war es mir geradezu peinlich.
    »Dein Vater hat versucht, mich umzubringen«, sagte ich.
    »Vor ein paar Tagen, in London. Ich wußte nicht, daß er es war, aber Merlin ist dabei …« Ich zögerte, suchte einen Moment nach Worten. »Sagen wir: abhanden gekommen. Und heute nachmittag habe ich ihn in der Villa deines Vaters wiedergefunden.«
    Pri sah mich sehr scharf an, aber in ihrem Blick lag keine Feindseligkeit. »Und das ist alles?« fragte sie.
    »Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Das ist nicht alles. Aber es ist alles, was ich dir im Moment erzählen kann oder will.«
    »Will?«
    »Ja, will«, sagte ich so heftig, daß Pri kein zweites Mal nachfragte. Dafür hatte ich plötzlich das absurde Bedürfnis, mich bei ihr für meinen groben Ton entschuldigen zu müssen.
    Ich hatte noch nie einen Menschen getroffen, der mich so verwirrte wie Pri.
    »Es ist besser für dich«, sagte ich. »Du weißt schon jetzt zu viel über all das. Du könntest in Gefahr geraten.«
    Pri lächelte spöttisch. »Er ist mein Vater«, erinnerte sie mich.
    »Ich spreche nicht von DeVries deinem Vater«, korrigierte ich mich. »Es geht schon lange nicht mehr um

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