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Das Tor ins Nichts

Titel: Das Tor ins Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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da.
    Die Autobahn auch nicht.
    Ich sah noch, wie die Umrisse der beiden Motorräder und ihrer Fahrer grün aufglühten, dann raste auch ich in die schwarze Wand aus Nichts hinein, und die Realität erlosch.

    Es war eine Welt unter einer schwarzen Sonne. Es gab kein Licht, sondern nur eine ungesunde, diffuse Helligkeit, die aus dem Nirgendwo kam und sich matt auf den schwarzen Wellen des erstarrten teerigen Sumpfes spiegelte, der die Oberfläche dieser absurden Welt bedeckte. Hier und da war der gewellte Boden durchbrochen, schwarze Strünke reckten sich in die Höhe wie verbranntes Buschwerk, das aber lebte und sich wie in einem unfühlbaren Wind wiegte und wand peitschende Bündel grauschwarzer narbiger Tentakel, die einen stummen Gruß über die Abgründe der Zeit hinüberschickten.
    Da war das Mädchen. Sie war schlank und schmalschultrig und hatte dunkles Haar und große, traurige Augen. Ihre Haut wirkte in dieser lichtlosen Umgebung noch blasser, und ihr Mund war zu einem stummen Schrei geöffnet, ohne daß auch nur der mindeste Laut über ihre Lippen kam.
    Sie rannte. Sie lief wie von Sinnen und kam doch nicht von der Stelle. Als sollte sie wie in einem grausamen Spiel in ihrer Qual auch noch verspottet werden, bewegte sich der Boden im gleichen Maße zurück, in dem sie lief. Träge stiegen gewaltige Blasen aus dem nur scheinbar festen Schwarz der Erde und zerplatzten, und immer wieder stießen Büschel vibrierender haariger Tentakel nach dem Mädchen, griffen nach ihr und zuckten im letzten Moment zurück, ab scheuten sie aus irgendeinem Grund davor zurück, sie zu berühren. Am Himmel erschien ein absurdes aufgedunsenes Gebilde, das unmöglich eine Sonne sein konnte und ein bleiches, krankmachendes Schlangenlicht verströmte.
    Das Mädchen blieb stehen. Wieder zuckte der Boden wie ein lebendes Wesen und erbrach Tentakel aus lebendem, blasigem Schleim, aber diesmal zeigte sie keine Furcht, sondern blickte sich mit einer sonderbaren, fast unschuldigen Neugier um.
    Dicht hinter ihr brach der Boden auf, und aus dem Riß, der pulsierte und schwarze Flüssigkeit absonderte wie eine schreckliche Wunde, stieg ein unförmiger Klumpen schwarzschillernder Materie, wandt und bog und verzerrte sich und wuchs zu einem Wesen, das in seiner Gestalt an eine Ziege erinnerte und gleichzeitig auf furchtbare, erschreckende Weise anders war als alles, das unsere Welt je hervorgebracht hat.
    Das Mädchen betrachtete das Tier einen Moment lang interessiert und drehte sich weiter herum. Schließlich blieb ihr Blick an mir haften, und im selben Augenblick erkannte ich sie.
    Dann begann sie zu reden.
    »Flieh, Robert!« sagte sie. Ihre Stimme klang angenehm und dunkel, genauso, wie ich mir die Stimme eines Mädchens ihres Aussehens vorgestellt hatte, und es dauerte einen Moment, bis ich begriff, daß dies genau der Grund für ihr Timbre war.
    Nichts an diesem bizarren Wachtraum war real. Es war eine Art Vision, in der meine eigenen Ängste und Wunschträume zu einer schrecklichen Mischung verschmolzen waren und mich peinigten.
    »Flieh!« sagte sie noch einmal und mit großem Ernst.
    »Flieh, Robert! Ich kann dich nicht mehr schützen! Was geschehen muß, wird geschehen, und es liegt nicht in deiner Macht, irgend etwas am vorbestimmten Lauf der Dinge zu ändern, Sohn des Hexers.«
    Ich wollte eine Frage stellen, aber ich konnte es nicht, denn ich war obgleich Hauptperson dieser alptraumhaften Szene
    nur ein Zuschauer, der hören und sehen konnte, mehr nicht.
    Trotzdem schien das Mädchen zu spüren, was in mir vorging, denn plötzlich lächelte es mitleidig.
    »Geh!« sagte sie noch einmal. »Geh und sei Mensch und kümmere dich um die Dinge der Menschen, und dir wird kein Leid geschehen.«

    Damit wandte sie sich, um und ging. Der Boden zuckte und warf Wellen, wo ihre Füße den teerigen, schwarzen Sumpf berührten, und immer wieder stiegen große ölige Blasen empor, zerplatzten oder gebaren gräßliche finstere Gebilde, deren bloßer Anblick in den Augen schmerzte. Dann begann die Dünenlandschaft zu verblassen, die kranke Sonne am Himmel erlosch, und …
    … und ich fand mich, stöhnend, mit blutüberströmtem Gesicht und in den überdehnten Gurten des Porsche hängend, in der Wirklichkeit wieder. Ein quälendes, an und abschwellendes Jaulen und Wimmern peinigte mich, es stank nach heißem Metall und ausgelaufenem Benzin, und aufgeregte Stimmen riefen durcheinander.
    Mühsam öffnete ich die Augen, sah ein gewaltiges graues

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