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Das Tor ins Nichts

Titel: Das Tor ins Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ich mir das Motorradwrack im zuckenden Widerschein der Blaulichter eingehender ansah.
    Die BMW sah aus, als hätte sie zwanzig Jahre lang in einem Säurebecken gelegen. Reifen und Sattel waren grau und porös geworden, der vorhin noch strahlendweiße Kunststoff war zerschrammt und blind und überall gesprungen, die Metallteile der Maschine waren so verrostet, daß sie zerbröckelten, als ich sie berührte. Und das Motorradwrack war über und über mit klebrigschwarzem, übelriechendem Schlamm bedeckt. Dem gleichen Morast, den ich in meiner Vision gesehen hatte …
    Von plötzlicher Angst erfüllt, stand ich auf und ging weiter.
    Eine schreckliche Ahnung schnürte mir die Kehle zu. Und dann sah ich, was der Mann gemeint hatte. Ein eisiger Schauer ergriff mich, als ich seine Worte im nachhinein verstand.
    Die Spitze der Kolonne bildete ein riesiger, achtachsiger Truck, der wie ein gekentertes Schiff halb auf die Seite gekippt war und der Geldtransporter und zwei der Begleitfahrzeuge.
    Ich meine damit nicht, daß die Wagen ineinandergefahren waren wie die dahinter. Es war ganz genau so, wie der Mann gesagt hatte: Der Geldtransporter und die beiden Wagen der Eskorte staken mitten in dem des Trucks, als wären sie ein einziges, makaberes Fahrzeug.
    Schockiert und starr vor Schrecken blieb ich stehen und starrte das unfaßbare Bild an. Hätte ich es nicht mit eigenen Augen gesehen, ich hätte es nicht für möglich gehalten: Die vier Fahrzeuge waren zu einer gräßlichen, zertrümmerten Einheit verschmolzen. Ich begriff, was geschehen sein mußte, auch wenn es kaum glaubhaft schien: Die unsichtbare Macht, die den Konvoi und auch meinen Wagen verschlungen hatte, hatte uns ebenso plötzlich wieder freigegeben, aber fünf Stunden später und völlig warnungslos. Ich selbst war mit dem Porsche gegen die Leitplanke gerast, aber die Männer in den drei Wagen dort vorne hatten weniger Glück gehabt: Sie waren an einer Stelle in die wirkliche Welt zurückgestürzt, an der sich in genau diesem Moment der Truck befunden hatte. Das Ergebnis sah ich vor mir.
    Stöhnend schloß ich die Augen und versuchte verzweifelt, nicht an die Männer zu denken, die sich in den Wagen befunden hatten.
    Und als wäre dies alles noch nicht schlimm genug, machte sich in diesem Moment eine Anzahl Feuerwehrmänner mit Äxten und Schneidbrennern daran, die Ladeklappe des Panzerwagens aufzubrechen, die fast in Mannshöhe aus dem Lkw herausragte.
    Obwohl sich alles in mir dagegen sträubte, blieb ich wie gebannt stehen und sah zu, was weiter geschah.
    Der Panzerwagen machte seinem Namen alle Ehre: Selbst unter Einsatz aller Kräfte und Mittel brauchten die Männer gute zwanzig Minuten, um die zollstarken Panzertüren aufzubrechen.
    Mein Herz schien vor Angst aus dem Takt zu kommen, als die Heckklappe des Wagens endlich aufschwang und einer der Männer einen starken Handscheinwerfer in sein Inneres richtete.
    Aber ich sah nichts von all den Schrecken, die ich erwartet hatte. Der Wagen war leer, von seiner Ladung war keine Spur zu entdecken. Nur ein wenig schwarzer Morast tropfte heraus und bildete häßliche Flecken auf dem Asphalt der Autobahn.

    Ich blieb nicht an der Unfallstelle, wie ich dem Polizeibeamten versprochen hatte, sondern kehrte ins Hotel zurück. Es fiel mir nicht schwer, einen freundlichen Autofahrer zu finden, der mich in die Stadt fuhr die Autobahn war voll Neugieriger, und meine Bereitschaft, das wenige zu erzählen, woran ich mich erinnern konnte (und was ich zu erzählen bereit war), bescherte mir eine Freifahrt zum Hotel. Ich stürmte an dem völlig überraschten Portier vorüber, lief in mein Zimmer hinauf und versuchte Frans anzurufen. Er meldete sich nicht. Ich ließ das Telefon klingeln, bis das Amt die Leitung unterbrach, stand auf und ging ins Bad, um eine heiße Dusche zu nehmen. In meinem Kopf wirbelten noch immer die Gedanken durcheinander. Ich glaubte zu begreifen, was geschehen war aber vieles blieb mir unklar. DeVries hatte es irgendwie geschafft, den ganzen Konvoi aus der normalen Welt herauszuholen und an einen Ort zu bringen, an dem er sich in aller Ruhe des Goldes bemächtigen konnte, und ich selbst war mitgerissen worden, vielleicht, weil ich einfach zu nahe daran gewesen war.
    Aber etwas war bei mir anders gewesen. Mein gemieteter Porsche war zwar durch den Unfall zerstört worden, aber er war weder schlammbesudelt noch auf gespenstische Weise um Jahrzehnte gealtert wie das Polizeimotorrad und auch der Panzerwagen.

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