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Das Tor ins Nichts

Titel: Das Tor ins Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Spinnennetz vor mir und begriff erst nach ein paar Sekunden, daß es nichts anderes war als die Windschutzscheibe des Porsche. Ich hob den Kopf, erstarrte wieder zur Reglosigkeit, als die unvorsichtige Bewegung den hämmernden Schmerz in meinem Schädel neu aufflammen ließ, und versuchte es nach einer Weile noch einmal und sehr viel behutsamer.
    Diesmal ging es. Vorsichtig tastete ich nach dem Verschluß des Sicherheitsgurtes, drückte ihn mit tauben Fingern nieder und wäre fast aus dem Sitz gefallen, denn ich bemerkte erst jetzt, daß der Wagen schräg wie ein gestrandetes Schiff über einer Böschung hing und sich im übrigen in keinem wesentlich besseren Zustand befand als die Windschutzscheibe. Was ich durch das Muster aus Sprüngen und Rissen hindurch erkennen konnte, war ein zusammengestauchtes, verdrehtes Knäuel aus Blech, das kaum mehr Ähnlichkeit mit dem 30000PfundFahrzeug aufwies, das ich gemietet hatte. Was war geschehen?
    Ich erinnerte mich nicht, in einen Unfall verwickelt worden zu sein.

    Mit zitternden Händen tastete ich nach dem Türgriff, half mit der Schulter nach, die verzogene Tür zu öffnen und fiel nun wirklich aus dem Wagen, allerdings nicht sehr tief.
    Hinter mir erscholl ein erschrockener Ruf, und als ich mich hochstemmen wollte, griffen hilfreiche Hände nach mir und zogen mich in die Höhe. »Alles in Ordnung?« fragte eine besorgte Stimme.
    Ich nickte ganz automatisch, blickte hoch und sah in das Gesicht eines grauhaarigen Mannes, der die schwarze Uniform der Amsterdamer Feuerwehr trug.
    Er war nicht der einzige Uniformierte. Die Autobahn war voll kreuz und quer abgestellter Einsatzfahrzeuge; Polizisten, Feuerwehrmänner und Sanitäter liefen hektisch hin und her.
    Ein Dutzend rotierender Blau und Rotlichter warfen zuckende Lichtreflexe auf den Asphalt, und der Nachthimmel strahlte wider im Licht der vielen Handscheinwerfer.
    Nachthimmel?
    Ich fuhr so erschrocken hoch, daß auf dem Gesicht des Feuerwehrmannes sofort wieder ein Ausdruck der Sorge erschien, und starrte nach oben.
    Es war Nacht. Nacht!
    Aber es war doch gerade erst kurz nach fünf Uhr gewesen, als ich die Verfolgung des Transportkonvois aufgenommen hatte, und die Fahrt hatte allerhöchstens zwanzig Minuten gedauert! Verstört sah ich auf meine Armbanduhr, ließ die Hand wieder sinken und blickte zu dem Feuerwehrmann auf.
    »Wie spät ist es?« fragte ich.
    »Kurz nach zehn«, antwortete er. »Wieso?«
    Kurz nach zehn! Großer Gott, das hieß, daß … daß mir fast fünf Stunden abhanden gekommen waren! Ich erinnerte mich an die Vision, in der ich Pri zu sehen geglaubt hatte, eine völlig veränderte Priscilla allerdings, die Worte sprach, von denen ich nur die Hälfte verstand, und die sich in einer Welt bewegte, die die Grenzen des Wahnsinns sprengte.
    Verwirrt machte ich mich von dem Feuerwehrmann los, der mich noch immer stützte, und sah mich erstmals genauer um.
    Wie hatte sich meine Umgebung geändert!
    Die Autobahn glich einem Schrottplatz. Der Porsche, der die Leitplanke durchbrochen hatte, war nicht das einzige Autowrack. Bei weitem nicht.
    Entsetzt drehte ich mich einmal um meine Achse und nahm das fürchterliche Bild in mir auf. Ich befand mich inmitten einer Massenkarambolage, in die schätzungsweise dreißig Fahrzeuge verwickelt waren, wenn nicht mehr. Und dem unablässigen Kommen und Gehen neuer Kranken und Feuerwehrwagen nach zu schließen, hatte ich noch Glück gehabt, mit einer leichten Platzwunde an der Stirn davonzukommen.
    »Was ist passiert?« murmelte ich bestürzt.
    Der Feuerwehrmann antwortete nicht, aber er tat etwas, was von seinem Standpunkt aus wahrscheinlich ganz richtig war: Er ergriff mich bei der Hand und führte mich wie ein willenloses Kind zu einem der wartenden Krankenwagen. Ich wehrte mich nicht dagegen, sondern nutzte die Gelegenheit, meine Umgebung noch einmal in Augenschein zu nehmen. Nicht weit von mir entfernt lag ein umgestürztes Motorrad.
    Obwohl das Vorderrad und die Verkleidung nur noch aus verbogenem Schrott und Plastiksplittern bestanden, erkannte ich die Maschine sofort: Es war eine BMW. Das Blut begann mir in den Schläfen zu hämmern.
    Wir erreichten den Krankenwagen, und der Feuerwehrmann übergab mich der Obhut eines noch sehr jungen Mannes in weißem Kittel, der eine riesengroße Hornbrille trug. Der Sanitäter stellte mir ein paar Fragen, auf die ich kaum antwortete, leuchtete mit einer kleinen Stablampe in meine Augen und schüttelte schließlich den

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