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Das Tor ins Nichts

Titel: Das Tor ins Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Kopf.

    »Sieht aus, als hätten Sie noch einmal Glück gehabt«, sagte er. »Trotzdem Sie bleiben hier, bis die Schwerverletzten versorgt sind, und dann schaue ich Sie mir noch einmal genauer an.« Er hob die Hand und winkte jemandem zu, der hinter mir stand. Als ich mich herumdrehte, sah ich mich einem uniformierten Polizeibeamten gegenüber, der sich höflich nach meinem Befinden erkundigte und dann meine Papiere zu sehen verlangte. Ich gab sie ihm und wartete geduldig, bis er sich alle notwendigen Angaben notiert hatte.
    »Was ist passiert?« fragte ich, nachdem er mir meine Brieftasche zurückgegeben hatte.
    Der Polizist blinzelte überrascht, dann huschte ein Ausdruck von Erkennen über sein Gesicht. Wahrscheinlich dachte er, daß ich unter einer Gedächtnisstörung litt, wie es nach Gehirnerschütterungen häufig der Fall ist. Ich ließ ihn in dem Glauben.
    Vielleicht hatte er ja sogar recht. »Sie erinnern sich nicht, Mijnheer … äh … Mister Craven?« Ich schüttelte den Kopf.
    »Wo steht Ihr Wagen?« fragte er.
    Ich deutete mit einer Geste auf das rote Schrottpaket, das einmal ein Porsche gewesen war. Der Polizist zog überrascht die Brauen zusammen. »Erstaunlich«, sagte er, »daß Sie da so unverletzt herausgekommen sind. Schade nur um den schönen Wagen«, fügte er bedauernd hinzu.
    Ich machte eine wegwerfende Handbewegung. »Er war nur gemietet«, antwortete ich. »Und die Gesellschaft ist versichert.
    Was ist passiert? Es ging alles so schnell …«
    Der Beamte nickte mitfühlend. »Das weiß anscheinend niemand so genau«, antwortete er. »Ein paar Leute behaupten, plötzlich wäre Nebel aufgekommen …« Er zuckte mit den Schultern. »Unwahrscheinlich, aber möglich. Wir kriegen es schon raus. Sie bleiben hier, Sir? Ich habe noch zu tun.«
    Ich deutete mit einem wehleidigen Lächeln auf meinen Wagen. »Ich glaube nicht, daß ich Ihnen wegfahre, Wachtmeister«, antwortete ich. Der Beamte atmete deutlich erleichtert auf. Offensichtlich hatte er sonst mit weit hysterischeren Unfallopfern zu tun und war froh, bei mir an einen scheinbar gelassenen Zeitgenossen geraten zu sein. Ich winkte ihm freundlich nach, blieb aber nur so lange stehen, bis er außer Sichtweite war, dann bewegte ich mich weiter nach vorne, dem Zentrum der Karambolage zu.
    Es war ein Massenauffahrunfall wie aus dem Lehrbuch: Gleich Dutzende von Wagen waren ineinander verkeilt, hier und da leuchtete die blaue Flamme eines Schweißbrenners, und weiter vorne hörte ich immer noch die aufgeregten Rufe der Sanitäter, die sich um die Verletzten kümmerten. Später sollte ich erfahren, daß es wie durch ein Wunder keine Toten gegeben hatte, wohl aber eine Menge Schwer und Leichtverletzter, und einen Sachschaden, der in die Millionen ging. Es wurde schlimmer, je mehr ich mich dem Zentrum des Unfalles näherte. Und ich begriff immer weniger. Zwischen dem Moment, in dem ich in die schwarze Wand hineinraste, und dem Augenblick, in dem ich hinter dem Steuer des Porsche aus der Bewußtlosigkeit erwachte, fehlten mir fünf Stunden. Was war in diesem Zeitraum geschehen? Wie war es zu diesem schrecklichen Massenunfall gekommen?
    Schließlich sprach ich einen Mann an, der seiner derangierten Kleidung und der bleichen Farbe seines Gesichtes nach zu schließen ebenso zu den unverletzten Unfallopfern zu gehören schien wie ich. Er lehnte vornübergebeugt an der Leitplanke und fuhr erschrocken zusammen, als ich ihn an der Schulter berührte.
    »Was ist passiert?« fragte ich einfach.
    Die Augen des Mannes wurden groß. Seine Lippen begannen zu zittern, aber es dauerte Sekunden, bis er einen Ton herausbrachte. »Plötzlich waren sie da!« keuchte er. »Einfach so! Ich
    … Ich hab’s genau gesehen! Eben war die Straße noch leer, und dann … dann waren sie da, mitten in ihm drin! Verstehen Sie? Plötzlich waren sie mitten in ihm drin!«
    Nein ich verstand nicht. Aber ich begann zu ahnen, daß hier mehr passiert war als ein normaler Auffahrunfall. Ich wartete, bis sich der Mann wieder halbwegs beruhigt hatte, dann wandte ich mich um und ging mit schnellen Schritten weiter nach vorne. Erstaunlicherweise versuchte niemand, mich aufzuhalten, obwohl die Straße voll Polizei und Hilfspersonal war.
    Das ungute Gefühl in mir wurde stärker, als ich die Überreste eines zweiten Motorrades fand, das halb über die Leitplanke hing. Mit klopfendem Herzen ging ich näher. Die Maschine war nicht einfach nur zertrümmert. Es war viel schlimmer. Ich schauderte, als

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