Das Tor ins Nichts
ärgerlichen Fauchen einer Katze, die ich auf ihrem nächtlichen Streifzug gestört hatte.
Ich nannte mich in Gedanken einen Feigling, schlug den Jackenkragen hoch, denn die Luft war hier, so nahe am Wasser, empfindlich kalt, und ging schnell weiter. Der Taxifahrer hatte behauptet, daß es nur einen knappen Häuserblock weit sei, er mich aber wegen des Gewirrs aus Grachten und kleinen Kanälen hier in der Altstadt nicht ganz hinbringen könne. Trotzdem blieb ich unter der nächsten Straßenlaterne noch einmal stehen, kramte den zerknitterten Zettel aus der Tasche, auf dem ich Frans’ Adresse notiert hatte, und verglich ihn mit dem zerschrammten Straßenschild an der nächsten Ecke. Gut, die Adresse schien zu stimmen. Ich verstaute den Zettel wieder in meiner Jacke und ging fröstelnd weiter. Als ich die Pension betrat, hatte ich den Schatten bereits wieder vergessen.
Das Haus war dunkel. Der Flur roch durchdringend nach kaltem Zigarettenrauch und Kohl, und irgendwo in den oberen Stockwerken plärrte ein Kind. Unschlüssig blieb ich stehen, sah mich um und klopfte schließlich an eine Tür, über der ein Schild mit der Aufschrift Concierge angebracht war. Im stillen wunderte ich mich, wieso Frans in einem solchen Etablissement wohnte.
Ich mußte viermal klopfen und jedesmal etwas lauter, ehe schließlich hinter der Tür schlurfende Schritte laut wurden.
Eine Kette klirrte, dann wurde die Tür einen Spaltbreit geöffnet, und ein verschlafenes Auge blinzelte zu mir heraus. Eine rauhe Stimme murmelte etwas auf holländisch, das nicht gerade sehr freundlich klang.
»Entschuldigen Sie die späte Störung, Mijnheer«, sagte ich und lächelte so freundlich, wie ich nur konnte. »Ich suche …«
»Madame«, unterbrach mich die Stimme. Die Tür wurde mit einem Ruck ganz geöffnet, und eine ZweiZentnerMatrone schob mir ihren gewaltigen Busen entgegen. Das Gesicht unter dem mit Lockenwicklern gespickten Haarnetz sah aus wie ein zerschlissener Scheuerlappen. Aber irgendwie paßte es zu dieser Pension. »Madame Duisteren, um genau zu sein«, fuhr sie fort. »Und Sie müssen Mister Craven sein, wenn ich mich nicht irre.«
»Das … stimmt«, sagte ich verblüfft. »Woher wissen Sie …?«
»Ich bin nicht dumm, junger Mann«, sagte Madame Scheuerlappen herablassend. »Mijnheer Dreistmeer hat mir gesagt, daß Sie vielleicht kommen würden.« Der verschlafene Ausdruck wich jetzt rasch aus ihrem Gesicht, und als sie weitersprach, wurden ihre Worte von einem Augenaufschlag begleitet, der mich vielleicht auf dumme Gedanken gebracht hätte, wäre sie ungefähr hundert Jahre jünger und einen guten Zentner leichter gewesen; doch so, wie die Dinge lagen, machte er mich bloß nervös. »Ein gutaussehender junger Engländer mit einer weißen Strähne im Haar«, fuhr sie fort. »Sie sollen hier auf ihn warten.«
»Er ist … nicht da?« fragte ich stockend.
»Wäre er es, müßten Sie kaum warten, nicht wahr?« antwortete Madame Scheuerlappen. »Er sagte auch, daß ich Ihnen etwas zu Essen anbieten soll, wenn Sie kommen«, fügte sie wichtigtuerisch hinzu. »Es ist zwar schon reichlich spät, aber für gute Gäste wie Mijnheer Dreistmeer mache ich schon mal eine Ausnahme.«
»Das ist sehr freundlich«, antwortete ich hastig, »aber es wäre mir im Moment wichtiger, Mijnheer Dreistmeer zu sprechen. Wir waren fest verabredet, wissen Sie? Er … er hat nicht gesagt, wo er hingegangen ist?«
»Nein«, antwortete Madame Scheuerlappen bedauernd. Der Augenaufschlag wurde noch verführerischer. »Warum kommen Sie nicht herein, und wir warten gemeinsam auf ihn? Ich mache Ihnen einen starken Kaffee.«
»Später«, sagte ich eilig, während sie bereits Anstalten machte, mich kurzerhand zu sich hereinzuzerren. »Ein Kaffee wäre göttlich, aber es ist im Moment sehr wichtig, daß ich mit Frans spreche. Er hat wirklich nichts für mich hinterlassen?«
Einen Moment lang blickte mich Madame Duisteren fast vorwurfsvoll an, dann seufzte sie, fuhr sich mit einem fettigen Daumen über den Nasenrücken und schüttelte abermals den Kopf. Ich hatte mit einemmal das sichere Gefühl, daß sie mir auch nicht gesagt hätte, wo Frans steckte, wenn sie es gewußt hätte.
»Nein«, sagte sie noch einmal. »Er geht oft spät abends noch weg, wissen Sie? Das bringt sein Beruf so mit sich. Sie haben die Wahl, junger Mann, draußen zu warten, bis er wieder kommt, oder mein Angebot doch noch anzunehmen. Es macht mir wirklich nichts aus, Ihnen einen Kaffee zu
Weitere Kostenlose Bücher