Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
Hand.
Catlin entzog sie ihm. Sie musste an Mabels tot geborenes Kind denken, sah es genau vor sich, so zart, die Haut fast durchsichtig, sodass die Adern zu sehen waren. »Wo ist es? Ich will es sehen.« Sie rang nach Atem, denn die Tränen drohten sie zu ersticken. »Ich will es nur einmal in den Armen halten. Bitte, Alan!«
Er schüttelte traurig den Kopf. »Das ist nicht möglich, Cat. Wir haben es schon vor Tagen beerdigt.«
»Nein!« Catlin schluchzte laut auf.
»Du warst eine ganze Woche ohne Besinnung. Wir fürchteten schon, wir verlieren auch dich.« Er betrachtete sie mit wehmütigem Blick und sprach nach einer Weile des Schweigens stockend weiter. »Ich dachte … ich komme zu spät.« Er beugte sich zu ihr vor und küsste ihr die Stirn. »Du musst dich ausruhen, damit du bald wieder zu Kräften kommst. Schlaf jetzt!«, befahl er liebevoll.
Catlin wollte ihm widersprechen, doch dazu war sie zu schwach. »War es ein Mädchen oder ein Junge?«, wollte sie noch wissen.
»Ein Mädchen«, flüsterte Alan und deckte sie zu.
Als es Catlin ein wenig besser ging, durften Aedwyna und Klein John sie für ein paar kurze Augenblicke besuchen. Aedwyna tastete unter dem Kissen nach der Jungfrau Maria. »Siehst du? Sie hat dir geholfen, gesund zu werden«, erklärte sie triumphierend, als sie die Figur gefunden hatte, küsste erst ihren tönernen Schopf und dann Catlin laut schmatzend auf die Wange. »Kann ich sie wieder mitnehmen?«, fragte sie. »Das Jesuskind sehnt sich nach ihr.«
»Sicher.« Catlin lächelte weich und sah Aedwyna nach, als sie vom Bett kletterte und zur Tür hinausstürmte. Der kleine John hatte sich unterdessen in die Arme seiner Mutter geschmiegt, nuckelte zufrieden am Daumen und spielte mit ihrem Haar, das er sich selig lächelnd um den Finger wickelte.
Catlin küsste ihn auf den Scheitel, sog den Kinderduft ein, den sein Köpfchen verströmte, schloss die Augen und gedachte des kleinen Mädchens, das sie niemals kennenlernen würde. »Ich hab dich lieb«, flüsterte sie, spürte, dass Klein John den Kopf anhob und sie ansah. »Ich hab dich lieb«, wiederholte sie, und diesmal waren die Worte an ihn gerichtet. Sie kitzelte ihn am Hals, bis er lachte, und küsste ihn auf die vollen Kinderwangen.
»Ich muss endlich aufstehen.« Catlin warf die Decke zurück, stellte die Beine auf den Boden und erhob sich. Ein wenig zu schwungvoll, wie sie feststellte, als sie schwankte.
»Langsam!«, rief Alan und hielt sie fest. Er sah ihr in die Augen, so tief, dass er bis in ihr Innerstes zu blicken schien, liebevoll und weich.
Catlin rang nach Atem. »Langsam!«, empörte sie sich. »Immer soll ich langsam machen. Ich will aber nicht, hörst du? Ich will schnell und gleich!«, rief sie ungeduldig.
»Es scheint dir besser zu gehen«, bemerkte er lächelnd. »Was hältst du davon, heute zum Essen nach unten zu kommen?«
»Einverstanden.« Catlin deutete auf die Eichentruhe am Fußende des Bettes. »Such mir ein Kleid heraus!«, forderte sie und ärgerte sich sogleich über ihren barschen Ton. Alan war jeden Tag für sie da gewesen, hatte sie aufgepäppelt und nie allein gelassen. Er verdiente es nicht, dass sie so mit ihm sprach. »Sei so lieb«, fügte sie darum weicher hinzu.
»Setz dich am besten so lange hin.«
Catlin folgte seinem Vorschlag, und Alan öffnete die Truhe. »Dieses hier?«, fragte er und hielt das seidene Kleid hoch, das Richard ihr einst gekauft hatte. »Nein!« Catlin lachte. »Das ist doch kein Kleid für den Alltag. Das blaue, es müsste gleich rechts liegen.«
»Ah ja.« Alan entdeckte es, holte es aus der Truhe und legte es neben ihr aufs Bett. »Kommst du zurecht?«
»Hilfst du mir, es überzuziehen?« Catlin errötete. Sie trug ein Leinenhemd und hatte keinen Grund, sich zu schämen. Dennoch kam ihr die Bitte nicht ganz angemessen vor. Schließlich hatte sie diesen Mann einmal heiraten sollen und ihn verschmäht.
Alan hielt ihr das Gewand so über den Kopf, dass sie es leicht überstreifen konnte, und band es im Rücken zu. Catlin genoss seine Nähe, neigte den Kopf ein wenig zur Seite und spürte seinen Atem an ihrem Hals. Ihr Herz schlug heftig und schnell. Ob es daran lag, dass sie so lange nicht aufgestanden war, oder an Alans Nähe? Sie schloss die Augen und hoffte, er möge seine starken Arme um sie legen und sie festhalten.
»Ich bin immer für dich da«, flüsterte er. »Für dich und die Kinder, komme, was wolle.«
Catlin atmete tief ein und genoss seine
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