Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
Catlin auf und verließ den Schuppen. Wenn Winnie nicht wollte, konnte sie sie schließlich nicht zwingen.
»Die Männer, sie haben sie … sie haben ihr … Gewalt …«, stammelte Duncan, der draußen gewartet hatte. Da erst sah Catlin, dass er schwerer verletzt war, als es zunächst den Anschein gehabt hatte. Mit gut sechzehn war er der Älteste unter den Lehrjungen. Stark wie ein Ochse, stand er nun da wie ein hilfloses Kind und sah Catlin aus zugeschwollenen Augen an. Tränen liefen ihm über die Wangen. »Ich habe versucht, ihr zu helfen … Wirklich, ich hab’s versucht. Ich hab’s versucht …«, wiederholte er immer wieder voller Verzweiflung.
Adam, der mit einem Mal neben ihm stand, legte ihm mitfühlend die Hand auf den Arm. Worte hatte er nicht.
Langsam begriff Catlin, was die fremden Männer getan hatten. »Es ist vorbei, alles wird gut«, murmelte sie mehr zu sich selbst als zu Duncan und nahm dankbar die kleine Laterne entgegen, die Adam ihr hinhielt. Die Knie drohten ihr zu versagen, als sie sich umwandte und in die Hütte zurückkehrte. Sie konnte Winnie nicht allein lassen, auch wenn jeder Schritt sie unsäglich viel Kraft kostete. Während sie unbeschwert den Rückweg von London genossen hatte, waren Peter und Edwin getötet und entsetzlich viel Leid über den anderen ausgeschüttet worden. Bis zu diesem Tag hatte sie stets geglaubt, sie würde spüren, wenn einer ihrer Lieben in Gefahr geriet. Tatsächlich aber hatte sie während ihrer Abwesenheit keinen einzigen Gedanken daran verschwendet, dass den Schmieden, die sie immer beschützt hatten, etwas zustoßen könne. Nun aber wogen Kummer und Sorgen um ihren Vater und das Mitleid mit Winnie schwer wie Blei an ihren Füßen. Wie nur hatte so ein Unglück geschehen können? Winnifred wimmerte und schluchzte. Sie verbarg das Gesicht vor Scham in den Händen, als Catlin sie überreden wollte, doch endlich den Platz unter dem Tisch zu verlassen und mit ihr ins Haus zu kommen. »Dort drüben ist es schön warm«, versuchte sie das Mädchen zu locken, doch Winnie schüttelte nur den Kopf.
Die ganze Nacht über blieb Catlin bei ihr, obwohl sie sich nichts sehnlicher wünschte, als endlich zu ihrem Vater hinüberzugehen und nach seinen Wunden zu sehen. Einmal, mitten in der Nacht, stand sie auf, um sich die kalten, steifen Glieder zu vertreten. Sie wollte die Hütte nur kurz verlassen, um sich zu erleichtern, doch Winnie flehte sie an, sie nicht allein zu lassen. Die Männer im Hof ängstigten sie zu Tode, ganz gleich, wie glaubhaft Catlin ihr versicherte, dass sie nichts zu befürchten habe. »Sie beschützen uns!«, beteuerte sie immer wieder. »Es sind Richard und seine Gefährten. Sieh nur, sie haben uns Decken gebracht, damit wir nicht frieren!« Catlin legte Winnie eine Decke um die Schultern, doch alle Beschwichtigungsversuche scheiterten. Die Angst des Mädchens war zu übermächtig.
Als die Sonne am nächsten Morgen aufging, erwachte Catlin mit den grauenvollen Bildern des Vortages, die sie bis in ihre Träume verfolgt hatten.
Winnifred hatte die Augen noch geschlossen. Irgendwann musste sie über ihren Tränen erschöpft eingeschlafen sein. Ihre Stirn war in Falten gelegt, der Zug um ihren Mund wirkte hart.
Catlin erhob sich und schlich nach draußen.
Trotz seiner Verletzungen stand Duncan aufrecht und hoch erhobenen Hauptes vor der Hütte, die Hände neben den Oberschenkeln zu Fäusten geballt.
»Was tust du hier?«, wunderte sich Catlin.
Duncan antwortete nur zögernd. »Ich konnte nicht schlafen.«
»Stehst du schon lange so da?«
»Die ganze Nacht. Ich musste doch aufpassen.«
Catlin wusste nicht, was sie darauf sagen sollte. »Dich trifft keine Schuld«, murmelte sie schließlich.
»Ich hätte sie töten müssen!« Duncan warf den Kopf herum und blitzte Catlin mit noch immer verschwollenen Augen an. »Aber es waren zu viele.« Er brach erneut in Tränen aus.
»Du musst stark sein.« Catlin wusste, wie sehr er Winnifred mochte. »Für Winnie.«
Duncan sah sie an, als spräche sie in einer fremden Sprache zu ihm.
»Sie wird nicht darüber reden. Sie schämt sich, verstehst du?« Dass sie gar fürchten musste, von einem dieser Teufel einen fauligen Samen eingepflanzt bekommen zu haben, erwähnte Catlin lieber nicht. »Wenn sie dich weinen sieht, wird es nur schlimmer für sie. Du musst ihr Kraft geben, ihr zeigen, dass du stark bist. Wir alle müssen stark sein.«
Duncan nickte und wischte sich mit dem Ärmel über das
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