Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
dabei hatte man ihm die Kehle aufgeschlitzt und ihn ausbluten lassen wie ein Tier. Das Blut auf dem Boden war notdürftig mit Sand bedeckt, auf Edwins Kleidern aber war es bereits zu braunen Flecken getrocknet, und der süßliche Geruch lag noch immer in der Luft. Catlin kämpfte gegen eine plötzliche Übelkeit an. Sie sprach ein kurzes Gebet für Edwin, bekreuzigte sich und wandte sich dann Peter zu. Blut klebte an seiner Schläfe und in seinem Bart. Catlin betrachtete ihn voller Zuneigung und strich sanft über das weiche graue Haupthaar des Alten. Sie schloss die Augen und dachte an den Tag ihrer Abreise. Sie fühlte noch, wie er sie umarmt hatte, und erinnerte sich an ihr Versprechen. Sie schlug die Augen auf, wandte sich um und verließ entschlossenen Schrittes die Schmiede.
Nach dem letzten Löffel Getreidebrei, den Elfreda mit viel Honig gesüßt hatte, fühlte sich Catlin gestärkt und war nun bereit, zu tun, was getan werden musste. Sie öffnete die Truhe auf der anderen Seite des Raumes und holte ein Bündel heraus.
»Was hast du vor?« Elfreda runzelte die Stirn.
»Ich habe Peter versprochen, dass ich ihm den Bart schabe, wenn ich zurück bin …« Catlin brachte es nicht übers Herz, Elfreda anzusehen. Sie nahm ein Tuch, tauchte einen Zipfel davon in den Eimer und wrang das überschüssige Wasser aus. Der Gedanke, nun ihren allerletzten Liebesdienst an Peter zu verrichten, war tröstlich und zugleich beängstigend. Sie rang verzweifelt nach Atem. »Was man verspricht, das muss man halten.«
Elfreda nickte und strich ihr über die Wange. »Bist ein gutes Kind.«
Herr, gib mir Kraft!, flehte Catlin stumm und ging hinüber zur Werkstatt. Am Tag zuvor noch war sie ein fröhliches Mädchen gewesen, unglücklich verliebt zwar, doch voller Hoffnungen. Seitdem hatte sich alles jäh verändert. Die Idylle der Schmiede war zerstört, Winnie geschändet, Peter und Edwin lebten nicht mehr, und der Vater war so schwer verletzt, dass er eine ganze Weile nicht würde schmieden können. Immerhin hatte er die Ersparnisse so gut versteckt, dass die Räuber sie nicht gefunden hatten. Wenn sie das Geld einteilten, reichte es hoffentlich, bis er wieder arbeiten konnte. Das Leben in der Schmiede aber würde für alle Zeiten ein anderes sein.
In der Werkstatt angekommen, wischte Catlin mit dem feuchten Leinen das Blut von Peters Stirn, öffnete das Bündel, holte das Rasiermesser heraus und schärfte es. Bei dem Gedanken, das kalte Gesicht des Toten berühren zu müssen, graute ihr, trotzdem wollte sie ihr Versprechen einlösen, damit Peter mit blankem Gesicht vor seinen Schöpfer treten konnte. Als sie ihm mit der Klinge über den Hals fuhr, musste sie an Edwin denken. Ob er gemerkt hatte, wie ihm das Blut aus dem Hals gequollen war, nachdem man ihm die Gurgel durchtrennt hatte? Catlin hielt kurz inne, um sich zu sammeln.
»Ich habe es versprochen«, flüsterte sie. Tränen liefen ihr über das Gesicht und tropften auf Peters Hemd. Als der Bart endlich abrasiert war und Catlin der fahlen Haut des Toten ansichtig wurde, brach sie schier zusammen. »Peter, Onkel Peter!«, weinte sie, legte die Stirn auf seine gefalteten Hände und betete, der Herr möge sich seiner Seele annehmen.
»Der Priester ist gekommen«, sagte Duncan leise, fast entschuldigend. Erst als Catlin aufsah, trat er mit einem zögernden Blick in die Werkstatt ein.
Für die Letzte Ölung und die Beichte war es zu spät. Peters und Edwins Leiber waren längst erkaltet, ihre Seelen fort. Trotzdem würden ihnen die Gebete des Priesters, der die beiden seit vielen Jahren als aufrechte, gottesfürchtige Männer gekannt hatte, zweifellos helfen, den Weg ins Paradies zu finden. Catlin küsste Peters wächserne Wange und verließ Hals über Kopf die Werkstatt.
Am darauffolgenden Tag kamen einige kräftige Männer aus der Nachbarschaft und holten die Leichen von Peter und Edwin ab, um sie ins Dorf zu tragen, wo sie auf dem kleinen Friedhof neben der Kirche beerdigt werden sollten.
Catlins Vater hatte Mühe mit dem Laufen, hielt es jedoch für seine selbstverständliche Pflicht, die beiden Männer, die er so sehr geschätzt hatte, zu ihrer letzten Ruhestätte zu geleiten.
Catlin stützte ihn, gefolgt von Winnifred und Elfreda.
Duncan, Blake, Owen und Jake stießen bald darauf mit ihren Eltern und Geschwistern zu dem Trauerzug. Je näher sie dem Dorf kamen, desto mehr Nachbarn und Freunde schlossen sich ihnen an. Die Frauen sprachen laut murmelnd Gebete,
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