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Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)

Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katia Fox
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oder süßer Apfelmost, den es im Herbst manchmal gab, waren ihr bedeutend lieber als der herbe Biergeschmack. Wenn der Glockengießer erst fort sei, dürfe er dem Bruder Bierbrauer helfen, hatte Thomas ihr voller Stolz erzählt. Catlin seufzte leise. Thomas würde seinen Platz in der Gemeinschaft finden und ihr vermutlich bald schon fremd sein. Wenn der Glockengießer fort sei – bislang hatte dies für sie in weiter Entfernung gelegen. Es bedeutete viel Arbeit, bis eine Glocke fertig war. Nach dem Guss hatte sie drei Tage lang auskühlen und dann noch ein wenig nachbearbeitet werden müssen, bis der Glockengießer mit ihrem Klang zufrieden gewesen war. Am vergangenen Sonntag dann war die Glocke schließlich vom Abt gesegnet und mit Weihwasser besprengt worden, bevor man sie im Turm hochgezogen und dort oben befestigt hatte.
    Das Mittagsläuten riss Catlin aus ihren Gedanken. Sie musste sich sputen, wenn sie den Glockengießer noch einmal sehen wollte, ehe er St. Edmundsbury verließ.
    »Ach hätte ich doch nur einen Sohn, der so ein Herz für die Glocken, solch ein Ohr für ihren Klang und so viel Verstand für mein Handwerk hat wie du«, seufzte er, als Catlin sich von ihm verabschiedete.
    »Wohin geht Ihr nun, Meister?«, fragte sie den Tränen nahe.
    »Zuerst nach Norden, nach Norwich, um genau zu sein.« Auch ihm schien es schwerzufallen, Lebewohl zu sagen. »Und später nach London.« Mit sichtlicher Mühe rang er sich ein Lächeln ab. »Dort gibt es Kirchen im Überfluss. Wie schön wäre es doch, auf meine alten Tage nicht mehr ständig umherziehen zu müssen!«
    Catlin nickte verstehend. »Ihr bräuchtet einen Lehrling, der Euch immer zur Seite stände und alles von Euch lernen wollte.« In ihre Stimme mischte sich ein Funke Hoffnung, er könne sie zum Mitkommen auffordern.
    »Nein«, knurrte der Glockengießer, »ich will keinen Lehrling. Man glaubt, einen Menschen zu kennen, und dann … Man wird nur enttäuscht.« Er schüttelte grimmig den Kopf. »Wenn ich Unterstützung brauche, dann finde ich immer einen Helfer. Aber mein Wissen an irgendeinen Dahergelaufenen weitergeben, der es nicht zu schätzen weiß … Niemals, hörst du? Niemals!«
    Catlin wich erschrocken zurück. Mit einer so heftigen Antwort hatte sie nicht gerechnet.
    Der Glockengießer musterte sie mit einem traurigen Zug um den Mund. »Dich nähme ich auf der Stelle, wenn es denn möglich wäre«, murmelte er. »Nur dich.« Er strich ihr väterlich über die Wange und räusperte sich verlegen. »Ich muss los, sonst schaffe ich es heute nicht mehr weit genug.«
    Catlin nickte tapfer, konnte gleichwohl nicht verhindern, dass sie feuchte Augen bekam.
    Der Glockengießer wischte die Träne, die ihr die Wange hinabrann, mit einer sanften Geste fort. »Du musst nicht weinen.«
    »Nein!«, stieß Catlin mit erstickter Stimme hervor, schüttelte den Kopf und lächelte tapfer.
    Der Glockengießer nickte und wandte sich ab. Er legte seinen Werkzeuggürtel um, lud sich sein schweres Bündel auf den Rücken und machte sich mit einem letzten kurzen Winken auf den Weg.
    Als die Glocke zum ersten Mal geläutet worden war, hatte Catlin mit geschlossenen Augen neben dem Meister gestanden und den Klang im ganzen Körper gespürt. Im Kopf, in der Brust – bis in die Zehen und Fingerspitzen hatte er widergehallt. Und in ebenjenem Augenblick hatte sie gewusst, dass es keinen schöneren, keinen richtigeren Beruf für sie gab als den des Glockengießens. Schwerter und Messer zu schmieden war gewiss ein ehrbares Handwerk, das Einfühlungsvermögen, Gewissenhaftigkeit und ein bedingungsloses Beherrschen der Technik ebenso erforderte wie Kenntnisse des Werkstoffes. Doch um erfolgreicher in seinem Handwerk zu sein als andere, war mehr vonnöten, als seinen Beruf gewissenhaft erlernt zu haben. Tiefe Leidenschaft, der ausgeprägte Wille, sich ständig zu verbessern, die Fähigkeit, von großen Veränderungen zu träumen, und die Kraft, diese auch in die Tat umzusetzen, waren unabdingbare Voraussetzungen, um wahrhaft Großes zu leisten. Das Glockengießen, so hatte es der Meister erklärt, war ein geradezu heiliger Akt und erforderte darüber hinaus nicht nur unerschütterlichen Glauben, sondern auch Gottesfurcht und Demut. Ohne den Segen des Herrn war ein erfolgreicher Guss unmöglich.
    Vielleicht war es ja anmaßend zu glauben, der Allmächtige habe ihr das feine Gehör in der Absicht geschenkt, sie mit ebenjener Leidenschaft zu erfüllen, die sie befähigen

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