Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
würde, eines Tages die wunderbarsten Glocken des Landes zu fertigen und auf diese Weise seinen Namen und seine Herrlichkeit zu preisen. Wie aber war ihre Hingabe für das Glockengießen sonst zu erklären? Hörte Catlin eine Glocke klingen, schien es ihr, als spreche Gott selbst zu ihr, als mahne er sie, sich seinem Willen zu beugen und das Handwerk, das er für sie auserwählt hatte, zu dem ihren zu machen.
Ihren Vater allerdings konnte sie vermutlich kaum von ihrem Wunsch überzeugen, bei einem Glockengießer in die Lehre zu gehen. Immerhin sollte sie eines Tages seine Schmiede erben. Außerdem war gleichfalls undenkbar, dass sich je ein Meister bereit erklärte, sie unter seine Fittiche zu nehmen. Wiewohl Glocken nicht mehr ausschließlich von Mönchen gegossen wurden, so war es doch stets die Aufgabe von Männern, dieses heilige Handwerk auszuüben. Einem Mädchen würde gewiss niemand erlauben, es zu erlernen, es sei denn …
Catlin hielt inne, wollte den Gedanken nicht zulassen und atmete tief ein. Dann wischte sie sich mit dem Ärmel entschlossen über die Augen und machte sich auf den Heimweg.
Seit Raymond drei Wochen zuvor aus Orford gekommen war, um ihm zu helfen, schmiedete Henry mit neuem Schwung. Seine Hand schmerzte noch immer, und er ermüdete rascher als früher, aber die Freude, gemeinsam mit dem alten Freund zu arbeiten, überwog bei Weitem. Die beiden berieten sich gründlich, bevor sie mit einem neuen Werkstück begannen. Sie arbeiteten unterschiedliche Entwürfe aus, besprachen diese und erörterten die Einzelheiten in zuweilen hitzigen Debatten. Beim Schmieden selbst kamen sie hingegen nahezu ohne Worte aus. Jeder kannte seine Aufgabe und vertraute dem anderen blind, so wie es sonst nur zwischen Meister und Geselle üblich war, die schon seit Jahren miteinander arbeiteten. Obwohl Raymond an die zehn Jahre älter war als Henry, bei dessen Mutter er in die Lehre gegangen war und die ihm in jungen Jahren viel beigebracht hatte, nahm er es als selbstverständlich hin, dass dieser nun der Herr der Schmiede war und die Entscheidungen traf.
Catlin bemerkte, wie glücklich ihr Vater mit dieser Zusammenarbeit war und dass er sich offenbar wünschte, Raymonds Aufenthalt in seiner Schmiede möge kein Ende nehmen. Und obwohl ihr Vater nie etwas Derartiges gesagt hatte, begriff sie, dass ihm ein Sohn fehlte, der seine Begeisterung für das Schmieden teilte. Dass sie nicht den gleichen innigen Wunsch besaß, Schmiedin zu werden, wie einst ihre Großmutter, hatte er darum bislang nicht wahrhaben wollen.
Seit Catlin aber dem Glockengießer zur Hand gegangen war, wusste sie, wie sich die Leidenschaft für ein Handwerk anfühlte. Sie verstand die Hoffnungen des Vaters nun besser und arbeitete in der Schmiede, ohne sich zu beklagen. Ihre Gedanken aber waren stets beim Glockengießen.
Eines Tages hörte sie zufällig, wie ihr Vater und Raymond über sie sprachen.
»Meine Catlin erbt die Schmiede, wenn ich dereinst zum Herrn gehe, und dein Jüngster wird dann Meister hier.«
Bei den Worten ihres Vaters erstarrte Catlin.
»Du weißt, dass ich dir im Gegenzug nicht viel zu bieten habe«, hörte sie Raymond leise erwidern. »Wenn du eine vorteilhaftere Verbindung für sie vereinbaren kannst, so will ich dich ohne Groll aus deinem Versprechen von einst entlassen …« Raymond legte eine kurze Pause ein. »Auch wenn ich mir nichts Wünschenswerteres für meinen Sohn vorstellen kann, als dass er Catlin heiratet und eines Tages die Schmiede übernimmt.« Rührung lag in Raymonds Stimme. »Du weißt, wie sehr ich diesen Ort liebe«, fügte er hinzu. »Die beste Zeit meines Lebens habe ich hier verbracht. Und mein Junge könnte noch viel von dir lernen.«
»Du warst ihm ein großartiger Meister, ich bin überzeugt, dass er mir eines Tages ein würdiger Nachfolger sein wird.«
»Dann ist es also abgemacht?«
»Ja, mit großer Freude! Du hast mir zeitlebens nähergestanden als mein eigener Bruder. Ich bin froh, meine Catlin bei deinem Sohn in guten Händen zu wissen, denn ihr Glück ist mir das Wichtigste auf der Welt.«
Catlin schnaubte leise. Dann lass mich Glockengießerin werden, und zwing mich nicht, ein Leben zu führen, das ich nicht will, und einen Mann zu heiraten, den ich nicht einmal kenne, dachte sie.
»Auch wenn ich ihn vor Jahren zum letzten Mal gesehen habe, so weiß ich doch, dass er ein guter Junge ist, der meine Catlin lieben und ehren wird«, hörte Catlin ihren Vater sagen und rollte mit den
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