Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
küsste ihn noch einmal und stahl sich hinaus, ließ ihn erneut allein mit seiner Einsamkeit, mit den schrecklichen Träumen von seinem Meister, mit der Angst. Bis der Morgen graute, warf sich Randal auf seinem Lager hin und her.
Frühjahr 1225
I ch bin ihr auf der Straße begegnet und wusste sofort, dass sie es ist!« Nigel lief aufgeregt hin und her. Die Märzsonne hatte ihm erste Sommersprossen auf die Nase gehaucht, und Catlin musste zugeben, dass sie ihm ein keckes Aussehen verliehen und gut standen. »Sie ist die Frau, die ich heiraten werde!«, rief er atemlos, und in seinen Augenwinkeln bildeten sich winzige Lachfalten. »Als Kinder spielten wir zusammen auf der Straße. Mein Vater besaß damals nur das Kontor hier in London, das in Norwich erwarb er erst später. Ich bin Londoner, musst du wissen«, fuhr er fort und grinste verzückt. »Sie hat ein Gesicht wie ein Engel«, schwärmte er seufzend. »Und ihre Augen! Nie im Leben habe ich schönere Augen gesehen.« Er ließ sich auf die Bank neben Catlin fallen. »Als ich sie grüßte, schlug sie die Augen nieder. Doch gleich darauf sah sie schon wieder hoch und wandte sich gar zweimal nach mir um«, berichtete er übermütig. »Das bedeutet doch gewiss, dass ich ihr nicht gleichgültig bin, oder?« Nach Zustimmung heischend warf er Catlin einen Seitenblick zu.
Catlin musste an Adam denken, an seine stattliche Erscheinung und das Grübchen auf seiner Wange, wenn er lächelte. Immer wieder hatte sie zu ihm hinsehen müssen, doch sobald sich ihre Blicke gekreuzt hatten, war ihr das Blut in den Kopf geschossen, und sie hatte die Lider gesenkt, nur um schon kurz darauf wieder zu ihm aufzuschauen. »Ja, vermutlich«, murmelte sie und verspürte ein Pochen in der Ader am Hals.
Nigel strahlte und nickte zufrieden. »Ihr Name ist Ewe.« Er wiederholte ihn ein paarmal in verschiedenen Stimmlagen, sprang auf und wanderte abermals umher. Plötzlich wurde er aschfahl. »Und wenn sie nun aber schon einem anderen versprochen ist?« Er raufte sich die Haare und stöhnte. »Ich bin wirklich ein Pechvogel!«
»Aber Nigel, du weißt doch gar nicht, ob sie schon verlobt ist!«
»Sicher. Du hast recht.« Er schüttelte den Kopf, als könne er nicht fassen, was er soeben gedacht hatte, und stapfte weiter auf und ab. »Ich werde Erkundigungen über ihre Familie einziehen. Ihr Vater ist Kaufmann, soweit ich weiß.« Er seufzte. »Ach, Catlin, würde mein Vater doch noch leben! Dann wäre alles viel einfacher.«
»Dich hat die Liebe wohl mächtig erwischt, oder ist es nur der Frühling?«
Nigel schüttelte den Kopf. »Nein, der Frühling kann kein solches Feuer entfachen, das muss die Liebe sein.« Er setzte einen hilflosen Hundeblick auf. »Bist du mir nun gram?«
Catlin lachte auf und runzelte die Stirn. »Ich und gram sein? Warum sollte ich mich deinetwegen grämen? Sag!« Dass es in ihrer Brust ein wenig zwickte, hätte sie niemals zugegeben.
»Nun, weil ich doch glaubte, dass ich … dass ich dich liebe«, stammelte Nigel sichtlich verwirrt. »Ich … ich liebe dich auch, aber du heiratest bald einen anderen und willst mich ohnehin nicht zum Gemahl, richtig?«
»Richtig.« Catlin lächelte versöhnlich. »Ich bin dir keinesfalls böse, Nigel. Ganz und gar nicht, ich wünsche mir vielmehr von ganzem Herzen, dass deine Ewe frei ist und du um ihre Hand anhalten kannst.« Sie wiegte den Kopf hin und her. »Obwohl ich bei näherer Betrachtung finde, dass du ein wenig zu jung zum Heiraten bist.«
»Vergiss nicht, dass ich älter bin als du!«, rief Nigel und wedelte ihr mit dem Zeigefinger vor der Nase herum. »Aber keine Sorge wegen der Werkstatt, die kaufe ich trotzdem, versprochen!«
»Du bist zu nichts verpflichtet.«
»Das weiß ich, doch will ich schließlich, dass du für mein Seelenheil betest. Nur dann kann ich nach meinem Ableben vielleicht das Tor zur Ewigkeit durchschreiten.« Nigel sah sie flehend an. »Ich fürchte das Fegefeuer«, gestand er kleinlaut.
»Ich bete für dich, Nigel. So oder so. Ich liebe dich wie einen Bruder, den ich nie hatte und den ich mir doch stets gewünscht habe. Du wirst nicht in der Hölle schmoren, wenn ich es mit Gebeten verhindern kann. Glaub mir!« Sie lächelte und begriff plötzlich, dass das Zwicken in ihrer Brust ein Anflug von Eifersucht war. Es hatte gutgetan, sich Nigels Zuneigung sicher zu sein, und es schmerzte, nicht mehr den ersten Platz in seinem Herzen einzunehmen. Wie eigensüchtig du doch bist!, schalt sie sich
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