Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
»Wirst du meinen Vater fragen?«, säuselte sie und umkreiste seine linke Brustwarze mit dem Finger.
Randal antwortete nicht. Er würde den Meister erst an jenem Tag fragen, an dem Merilda ein Kind von ihm erwartete. Nur dann würde er sie freien, denn nur dann konnte er sicher sein, dass der Töpfer ihnen früher oder später die Werkstatt überließ. Wenn er nur nicht versuchte, doch noch einen Sohn zu zeugen! Randal runzelte die Stirn. Auf die Freuden der Ehe zu verzichten würde dem Meister fürwahr schwerfallen, und zu den Huren zu gehen konnte er sich nicht leisten. Fünf Töchter, die alle eine Mitgift benötigten, waren nicht gerade wohlfeil.
»Küss mich!«, forderte Merilda ihn auf.
Randal nahm ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie. Wie eine frische Zwiebel, scharf und süß, dachte er, als Merilda seine Zunge einsaugte und sich an ihn klammerte. Und so wie eine Zwiebel einen üblen Nachgeschmack im Mund hinterließ, so war es auch, wenn Merilda nach der Liebe wieder ging. Solange sie in seinen Armen lag, fühlte er sich stark und sicher. Sobald sie aber fort war, blieben nur ein schales Gefühl und eine lange dunkle Nacht zurück. Einsamkeit konnte Randal kaum ertragen. Lieber eine Horde Kinder und weniger zu essen auf dem Tisch, als in teure Gewänder gekleidet, aber allein zu sein. Merilda war ein gutes Mädchen, fleißig und geschickt, anschmiegsam und freundlich. Was aber noch wichtiger war – sie liebte ihn. Im Grunde war der Töpfer zu beneiden. Eines Tages ein Leben wie er zu führen war nicht die schlechteste Aussicht. Randal aber konnte nicht einfach ein friedliches Dasein fristen, er musste seinem alten Meister beweisen, dass er sich in ihm getäuscht hatte. Eines Tages sollte der Meister es begreifen und bereuen, dass er ihn fortgeschickt hatte. Er sollte Randal anflehen, zu ihm zurückzukommen, damit er ihn zurückweisen konnte. Er wollte, nein, er musste ihm zeigen, dass er ihm ebenbürtig war, ihn vielleicht gar überflügeln konnte. Nur dann würde der Meister erkennen, aus welchem Holz Randal geschnitzt war. Dass ein ganzer Kerl in ihm steckte.
Randal stellte sich vor, wie Merilda in ihrem durchscheinenden Hemd an der Töpferscheibe saß. Im flackernden Licht des Feuers glänzte ihr Haar, das sie nicht wie gewöhnlich zu einem festen Zopf geflochten trug. In weichen Wellen fiel es ihr über den Rücken. Schweiß rann ihr von der Stirn und über die Schläfen, denn der Ofen glühte. Ihre Kehle und der Ausschnitt ihres Hemdes schimmerten. Die nassen Hände um den feuchten Ton geschlungen, trieb sie mit dem rechten Fuß die Töpferscheibe an und schob sich mit dem Handrücken eine Strähne aus dem Gesicht. Wasser mit Ton vermengt, lief ihr den Hals hinab. Erst drehte sie die Scheibe langsam und gefühlvoll, dann schneller, fordernder. Geschickt ließ sie den Ton durch die Finger gleiten, streichelte ihn wie einen Geliebten, umfasste ihn fest und geschmeidig zugleich, fuhr sanft mit den Händen hinauf und wieder hinab.
Randal atmete schwer.
Er sah sich zu des Meisters Lager schleichen und unter seine Decke schlüpfen. Sünde, dachte er, es ist Sünde. Er schämte sich für seine Nacktheit, aber wenn der Meister es so wollte, dann hatte er zu gehorchen. Es war nicht recht, sagte die Kirche, doch das Wort des Meisters hatte mehr Gewicht. Nie wieder sollte er zu dem Mönchsjungen gehen, nun, da Randal zu ihm gekommen war. Nie mehr würde der Meister ihn allein in einer Herberge zurücklassen. Nie mehr wollte er sich fürchten, dass der Meister nicht zurückkam. Wollte keine Angst mehr vor der Einsamkeit haben.
Der Meister atmete ruhig und regelmäßig wie ein Schlafender. Randal suchte in seinem Innern nach Kraft und rückte näher, schmiegte sich an ihn, spürte seine nackte Haut und drängte den Schoß an seinen Rücken. Zerrissen zwischen aufsteigender Wollust und Scham, kämpfte er einen Augenblick lang mit Übelkeit.
»Ich liebe dich«, säuselte ihm Merilda ins Ohr und setzte sich auf seine Leibesmitte. »Du bist unersättlich«, stöhnte sie und warf den Kopf in den Nacken. Randal wusste nicht, ob er wachte oder schlief, und für einen kurzen Augenblick verschmolzen Merilda und der Meister zu einer Person. »Nein!«, rief er vor Schreck, bäumte sich auf und schauderte. Sein Herz schlug wild, Schweiß stand ihm auf der Stirn, lief ihm im Rücken hinunter bis in die Steißfalte. Merilda beugte sich zu ihm herab. »Ich muss zurück in mein Bett«, flüsterte sie ihm ins Ohr,
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