Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)

Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katia Fox
Vom Netzwerk:
war der Glockengießer doch beileibe kein schlechter Mensch. Er arbeitete hart und viel, ohne sich je zu beschweren, und war von großer Frömmigkeit. Vor jeder Mahlzeit und dem Schlafengehen betete er inbrünstig, auch hätte er niemals den sonntäglichen Kirchgang verpasst. Darüber hinaus übte er sich in Demut und Bescheidenheit. Oft genug betonte er, dass der Erfolg in seinem Handwerk vor allem des Segens von oben bedurfte und dass er dem Herrn ehrlichen Herzens entgegentreten musste, wollte er gute Glocken gießen. Eines Tages entdeckte Catlin, dass er zuweilen ein härenes Hemd trug, so als wäre er ein Mönch und kein Handwerker. Wenn sie einen Zipfel des kratzigen Untergewandes unter seinem Arbeitskittel hervorblitzen sah, dann fragte sie sich, was er verbergen mochte. Wofür er wohl büßen zu müssen glaubte. Zu Beginn ihrer Übereinkunft – denn mehr als dies war ihre Ehe nicht – hatte John die Bedingung gestellt, ihn niemals nach seiner Vergangenheit zu fragen. Er hatte beteuert, kein Mörder oder Dieb zu sein, und ihr deutlich zu verstehen gegeben, dass er Neugierde, sein früheres Leben betreffend, nicht dulden werde. Ob es mit seinem Keuschheitsgelübde zu tun hatte? Welches Abkommen mag er wohl mit dem Herrn geschlossen haben?, fragte sich Catlin, wenn er kurz vor dem Beginn eines Gusses mit zitternder Stimme den Beistand des Allmächtigen erflehte.
    Obwohl John bei der Arbeit stets streng und fordernd war, schien er Catlins Beitrag in der Werkstatt doch nach wie vor zu schätzen. Hin und wieder nickte oder lächelte er anerkennend, wenn sie ohne Nachfrage ausführte, was sie von ihm gelernt hatte. Catlin musste immer häufiger an ihren Vater denken, dem John in seiner Art zuweilen ähnelte. Meist wurde sie dann traurig und entsann sich schmerzlich der guten Tage in der Schmiede, damals, bevor die Männer sie überfallen und ihr friedvolles Dasein zerstört hatten. Dann fragte sie sich, ob alle, die sie liebte, wohlauf waren. Ob sie sich Sorgen um Catlin machten oder enttäuscht waren, weil sie schon so lange spurlos verschwunden war. Im Schlaf kehrte sie häufig und gern heim. Der alte Peter lebte noch in ihren Träumen, schloss sie weinend vor Glück in die Arme und flüsterte ihr zu, wie sehr sie ihrer Mutter ähnlich sehe. Winnie hüpfte um Catlin herum und feierte ihre Rückkehr, während der Vater ihr ohne Vorwurf im Blick und ohne Vorhaltungen eine Hand auf die Schulter legte und seine Tochter willkommen hieß. In der Schmiede gab es keinen Raymond, und von einer Hochzeit war nicht die Rede. Nur in die Nähe der Hütte, in der das Holz aufbewahrt wurde, wagte sich Catlin in ihren Träumen nicht. Etwas Böses schien dort auf sie zu lauern. Gänsehaut überzog ihren Körper, und die Nackenhaare stellten sich ihr auf, sobald sie in Richtung des Schuppens blickte. Wenn sie des Morgens nach einem solchen Traum erwachte, war sie stets nachdenklich und noch eine ganze Weile niedergeschlagen.
    Obwohl John oft kühl und unnahbar wirkte, war er doch feinfühlig und spürte, wenn Catlin betrübt war. Vermutlich entging ihm nicht, dass sie sich zuweilen des Nachts im Schlaf herumwälzte, lachte oder wimmerte, doch er fragte niemals nach. Nur hin und wieder drückte er ihr schweigend die Hand oder strich ihr über den Arm, wenn sie verzagt war, und versuchte sie abzulenken. An der Mischung aus Stolz, Erstaunen und Wehmut, mit der er sie bisweilen betrachtete, glaubte Catlin zu erkennen, dass er nicht bereute, ihr Gemahl und Meister zu sein. An manchen Tagen hingegen war er noch wortkarger und in sich gekehrter als gewöhnlich. Tief in Gedanken versunken schien er so, als erinnere auch er sich an etwas, das ihn unendlich traurig stimmte. Dann war es Catlin, die ihm die Hand auf den Arm legte und ihm wortlos Stütze zu sein versuchte. In diesen stummen Augenblicken waren sie sich so nahe wie nie. Ich weiß nichts von ihm, dachte Catlin dann, wagte jedoch keine Fragen zu stellen. Schließlich hatte sie ihm versprochen, ihn niemals auf seine Vergangenheit anzusprechen. Also beschränkte sich der Austausch der Eheleute auf die alltäglichen Verrichtungen und die Arbeit. Catlins Gedanken jedoch kreisten immer wieder darum, was John wohl erlebt haben mochte, dass er sich um keinen Preis dazu äußern wollte.
    An weniger arbeitsreichen Tagen unterrichtete der Glockengießer seine Ehefrau im Rechnen und brachte ihr mithilfe des Glockenspieles bei, weitere Töne zu benennen. »Deine Hörfähigkeiten sind

Weitere Kostenlose Bücher