Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
werde ich die Werkstatt zurückholen.« Er strich dem Knaben sanft über das kahle Köpfchen und strahlte ihn an.
Seit der Geburt ihres Sohnes strotzte die einst so zarte Merilda vor Kraft und hatte dank ihrer Jugend genügend Milch für zwei Kinder, darum verdiente sie als Amme dazu. Jeder Penny war ihnen willkommen, auch wenn Randal wie erhofft Arbeit in Oxford gefunden hatte. Er half einem Glockengießer, der ihn wie seinesgleichen behandelte, und so hatten sie nicht nur ein Auskommen, Randal war auch nahezu glücklich. Wäre da nicht sein alter Meister gewesen. Bevor sie die Stadt verlassen hatten, war Randal ein letztes Mal zur Töpferei gegangen, um zu sehen, wer inzwischen dort lebte und arbeitete. Er hatte geglaubt, seinen Augen nicht trauen zu können, als er entdeckt hatte, dass es sein ehemaliger Meister war, der die Werkstatt nun führte. Der Mann, der ihn um sein Glück betrogen hatte! Ausgerechnet er hatte ihm alles weggenommen. Um ein Haar hätte diese Beobachtung Randal um den Verstand gebracht. Kann Gott wirklich so grausam sein?, hatte er sich gefragt, sich dann jedoch eines Besseren besonnen und dem Herrn sogar gedankt. Schließlich konnte es sich doch nur um einen Wink des Schicksals handeln, dass ausgerechnet sein Meister jener Glockengießer war, dem er die Werkstatt fortnehmen wollte. Es musste sich um eine göttliche Fügung handeln, die ihn darin bestärken sollte, seinen Weg zu gehen. Den einzig möglichen Weg, um seiner Seele Frieden zu schenken. Der Meister hatte sich mit dem jungen Ding vermählt, das er für die Frau des Kaufmannes gehalten hatte. In ihrem einfachen Leinenkleid war sie recht artig anzusehen. Auch schien sie tüchtig mit anzupacken. Einen ganzen Tag lang hatte Randal auf der Lauer gelegen, bis er den Meister aus dem Haus hatte gehen sehen. Sein Weib hatte ihn nicht verabschiedet, doch kurz nachdem er gegangen war, hatte sie die Tür geöffnet und ihm nachgesehen, so als frage sie sich, wohin er wohl ging. Etwas unsagbar Trauriges hatte ihr angehaftet. Eine Spur von Sehnsucht und Einsamkeit, die Randal nur allzu gut kannte. Einen Augenblick lang hatte er sie gar bedauert. Doch sein Mitgefühl hatte nicht lange angehalten.
O! zarte Sehnsucht, süßes Hoffen,
Der ersten Liebe goldne Zeit
Friedrich Schiller, Das Lied von der Glocke
Januar 1226
M ehr als ein halbes Jahr war seit der Hochzeit vergangen, und noch immer war Catlin unberührt. Nigel hatte nicht glauben wollen, dass der Glockengießer sein Keuschheitsgelübde auch nach der Eheschließung einhielt, doch John hatte ihn eines Besseren belehrt. Kein einziges Mal hatte er Catlin näher zu kommen versucht. Abends legte er sich neben sie ins Bett, wünschte wohl zu ruhen, küsste sie auf die Stirn und wandte sich ab, um zu schlafen. In den ersten Tagen und Wochen hatte Catlin noch befürchtet, er könne doch darauf bestehen, dass sie ihren ehelichen Pflichten nachkam, inzwischen aber war sie überzeugt, dass er lediglich väterliche Gefühle für sie hegte.
Die Werkstatt, die Nigel gekauft hatte, war groß und bestens geeignet, darin eine Glockengießerei einzurichten.
»Zu einfach, das ist zu einfach«, hatte John gemurmelt, als Nigel sie nach der Hochzeit zum Haus des Töpfers geführt und ihnen die Höhe des Mietzinses für die Räumlichkeiten mitgeteilt hatte. »Warum verlangt er nicht mehr?«, hatte der Meister Catlin noch am gleichen Abend gefragt. Ob sie am Ende gar ein Kind von dem jungen Kaufmannssohn erwarte?, hatte er wissen wollen und sie dabei mit aller Strenge gemustert. Und wiewohl er schließlich vorgegeben hatte, ihr zu glauben, weil sie beteuerte, dass Nigel nur ein Freund sei, hatte er ihre Leibesmitte von jenem Tag an immer wieder mit zweifelnden Blicken bedacht, sobald er sich unbeobachtet wähnte. Erst als sie auch nach Monaten noch immer so rank und schlank war wie zuvor, wurde er eine Spur freundlicher zu Nigel, wenngleich er keineswegs verhehlte, wie befremdlich er es fand, dass der junge Mann Haus und Werkstatt ohne Zögern gekauft hatte, nur um ihnen zu helfen. Von der Vereinbarung, beim Glockengießen für Nigels Seelenheil zu beten, hatte Catlin ihm wohlweislich nichts erzählt, denn niemand – nicht einmal er – sollte erfahren, wer der Dieb war, der inzwischen auch in London zugange und als Quickhands bekannt war. Nigel selbst hatte den Spitznamen in Umlauf gebracht, denn es bereitete ihm größte Freude, wenn die Menschen zugleich ehrfürchtig und mit gewissem Wohlwollen hinter
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