Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
weiter.« Er sank in sich zusammen und stützte den Kopf in die Rechte.
»Was ist mit ihr?« Catlin legte ihm die Hand auf den Unterarm. Schon bald nach Nigels Hochzeit, bei der sie nur Zaungast gewesen war, hatte sie ein ungutes Gefühl beschlichen, ohne dass sie den Grund dafür hätte nennen können. »Ist sie krank?«
»Krank?« Nigel schüttelte mutlos den Kopf. »Ich glaube, sie ist besessen.«
Catlin bekreuzigte sich vor Schreck. »Vom Teufel?«, hauchte sie.
Mit verzagter Miene hob Nigel die Schultern. »Sie war schon immer eifersüchtig, aber in letzter Zeit …« Er stöhnte auf. »Aus dem fröhlichen Mädchen von einst ist eine … ist …« Er brach ab. »Heute Morgen bei Sonnenaufgang hat sie plötzlich geschrien wie toll. ›Wirf sie hinaus!‹, hat sie gezetert, auf das Bett gedeutet und behauptet, eine fremde Frau läge neben mir. Sie war vollkommen außer sich, riss sich die Haare büschelweise aus.« Er schüttelte hilflos den Kopf. »Aber da war niemand. Ehrenwort!«
»Sicher hat sie nur schlecht geträumt und war noch nicht ganz wach«, versuchte Catlin ihn zu beruhigen, doch Nigel schüttelte entschieden den Kopf. »Sie schläft kaum noch eine Nacht durch. Meist steht sie lange vor Sonnenaufgang auf, zieht sich an und wandert rastlos durchs Haus. Oft murmelt sie merkwürdige, unverständliche Worte. Manchmal scheint sie mit jemandem zu sprechen, obwohl sich außer ihr kein Mensch im Raum befindet. Sie behauptet, ihr Großvater rede mit ihr. Aus dem Jenseits.« Nigel schluckte. »Wenn sie nicht schreit oder mit Toten redet, dann sitzt sie oft nur da. Tagelang zuweilen. Ohne ein Wort. Als ob sie weder mich noch die Mägde sieht.« Er holte tief Luft, als drohe er zu ersticken. »Ich mache mir Sorgen um das Kind.«
»Um das Kind? Welches Kind?« Catlin runzelte die Stirn.
»Das sie unter dem Herzen trägt. Manchmal weiß sie nichts davon, ist ängstlich und verwirrt, dann wieder wirkt sie fast wie früher, lächelt, und ich darf die Hand auf ihren Leib legen.«
»Warum hast du mir nicht längst davon erzählt?« Catlin war leicht gekränkt, dass er sie nicht früher ins Vertrauen gezogen hatte – wegen Ewe, vor allem aber wegen des Kindes.
»Anfangs war ich nicht sicher, ob nicht auch das Kind auf Einbildung beruhte. Aber nun rundet sich ihr Bauch …«
Catlin nickte verstehend. »Ich freue mich für dich.«
Nigel kratzte sich den Nacken. »Ob es besser wird mit ihr, wenn sie erst Mutter ist?« Er wischte sich über die Augen. »Manchmal wirkt sie vollkommen glücklich, dann lacht sie und ist voller Pläne, begeisterter noch als früher, doch lange hält das nie an. Ehe ich mich versehe, ist sie wieder in sich gekehrt und schwermütig.
Catlin musste an John denken. Ohne ein erklärendes Wort war er fortgegangen, schon zum dritten Mal, seit sie verheiratet waren. »John ist zurück«, sagte sie leise.
Nigel sah erstaunt auf.
»Gestern Abend ist er heimgekehrt.«
»Hat er dir endlich erzählt, wo er war?«
Catlin schüttelte traurig den Kopf. »Nichts, nicht ein Sterbenswort!« Schlecht gelaunt und wortkarg war er schlafen gegangen, genau wie die anderen Male. Er wagt es nicht einmal, mir in die Augen zu sehen, warum nur, frage ich dich? Entschuldige«, murmelte sie und wandte sich ab. Nigel sollte nicht glauben, sie sei eifersüchtig und verdächtige John einer Liebschaft, denn solche Gedanken hegte sie keinesfalls. Trotzdem war sie wütend. »Ich bilde mir nichts ein, ich bin nicht wie Ewe«, fuhr sie leise fort. »Ich unterstelle ihm keine Untreue und weiß, dass ich kein Recht habe, ihn auszufragen. Aber es schmerzt mich, dass er mir nicht vertraut.«
Nigel nahm Catlins Hand und drückte sie.
»Haben wir unseren Mietzins nicht gezahlt, oder was verschafft uns die Ehre?«, fragte plötzlich eine mürrische Stimme.
Catlin fuhr herum und errötete, als wäre sie bei einer verbotenen Tat ertappt worden. Sie entzog Nigel die Hand und richtete ihr Haar, das sie zu einem Zopf geflochten trug. »Wir haben nur ein wenig geplaudert«, sagte sie rasch.
Nigel erhob sich. »Ich wollte ohnehin gerade gehen. Danke, Catlin, dass du mir zugehört hast.« Er warf ihr ein mattes Lächeln zu. »Meister«, grüßte er den Glockengießer knapp und verließ das Haus.
»Du benimmst dich wie ein eifersüchtiger Ehemann!«, fuhr Catlin John an. »Ausgerechnet du! Verschwindest tagelang spurlos und kehrst schlecht gelaunt zurück. Was glaubst du wohl, wie mir das gefällt? Hätte Nigel mich nicht hin
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