Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
vor Angst. Was erwartete der Meister nur von ihm? Randal wusste so gut wie nichts über Sodomiten. Er hatte wohl schon welche gesehen, nur richtig hingeschaut hatte er nicht. Ziegen und Kühe fielen ihm ein, auch Hunde. Eine Träne lief ihm über das Gesicht. Er war noch so jung und unerfahren. Einmal nur hatte er heimlich eine Magd beobachtet, die sich entkleidet hatte. Randal versuchte sich an ihre Brüste zu erinnern, an die Farbe ihrer Haut. Bei dem Gedanken an das Bild in seinem Kopf wurde ihm warm, und seine Männlichkeit regte sich. Der Meister musste es gespürt haben, denn er fuhr hoch, wandte sich um und schlug die Decke zurück. Das flackernde Licht des Feuers leuchtete auf ihrer beider Nacktheit. Der Meister starrte Randal an, spie angewidert aus, ergriff sein Hemd und streifte es hastig über.
»Wie kannst du es wagen?«, brüllte er.
Randal riss die Decke an sich, Hitze stieg ihm ins Gesicht, er bedeckte sich und seine Scham, wäre am liebsten im Boden versunken. »Meister …«, stammelte er.
»Ich bin nicht mehr dein Meister, und du bist nicht mein Lehrling!« Der Glockengießer war außer sich vor Wut. Die Adern an seinem Hals schwollen an, das Blut schoss ihm in den Kopf. »Woher hast du nur solche verderbten Gedanken?«
»Ich dachte … Ihr wollt … ich habe Euch …«
»Du wirst in die Hölle kommen für diesen Schmutz!«
»Aber Meister, ich wollte Euch doch nur …«
»Schweig, kein Wort mehr!«
»Ich will Euch doch nur nahe sein!«, rief Randal in höchster Verzweiflung.
»Du wirst im Fegefeuer brennen.« Der Meister hob die Augen und sah sich um. »Hinfort mit dir, Satan!«, rief er. »Mich verführst du nicht! Ich bin bei Gott, und Gott ist bei mir!« Dann starrte er Randal voller Abscheu an. »Scher dich fort, und lass dich nie wieder blicken!«
Randal griff nach seiner Kleidung und stolperte hinaus ins Freie. »Aber Meister …«, schluchzte er.
»Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name …«, hörte er den Meister laut beten.
Tränen liefen Randal über das Gesicht, während er durch die Dunkelheit stolperte. »Ich wollte doch nur, dass Ihr mich liebt wie einen Sohn«, murmelte er, dann stieg Ärger in ihm auf. Was hatte der Mönchsjunge, das er nicht hatte? Warum nur behandelte ihn der Meister so ungerecht? Er hatte doch nur tun wollen, was auch er tat. Randal hatte ihn nicht wirklich mit dem jungen Mönch Unzucht treiben sehen, aber die Verbundenheit zwischen den beiden, ihre innige Nähe hatten keinen anderen Schluss zugelassen. Wie sie sich gebalgt hatten im Gras, damals als er dem Meister nachgegangen war und ihn heimlich beobachtet hatte. Wie sie einander in die Arme gefallen waren und wie sie geweint hatten, als sie sich wieder voneinander hatten trennen müssen. Genauso nahe hatte er dem Meister sein wollen.
»Liebster, wach auf!« Merildas Stimme an seinem Ohr befreite ihn aus dem Dunkel des Albtraumes. »Du weinst wieder!« Liebevoll küsste sie ihn auf die Wange.
»Ich weiß nicht, wovon du so oft träumst, ich weiß nur, dass es ein Ende haben muss«, sagte sie am nächsten Morgen und blickte Randal besorgt an. »Du hast Schatten unter den Augen und isst kaum noch.«
Mein Meister hat mich verstoßen und uns die Werkstatt weggenommen, hätte Randal ihr am liebsten entgegengeschleudert, doch er schwieg. Merilda hätte ihn nicht verstanden. Wie sollte sie auch? Wie hätte er ihr erzählen können, was geschehen war, warum ihn der Meister fortgejagt hatte? Verstand er doch selbst nicht, wie das alles hatte geschehen können.
»Die Werkstatt …«, versuchte er es dennoch verzweifelt. »Ich hole mir die Werkstatt zurück und vertreibe den Glockengießer aus der Stadt«, fauchte er. »Was der kann, kann ich schon lange!«
»Aber du bist Töpfer!« Merilda lächelte ihn milde an und wischte ihm liebevoll eine feuchte Strähne aus der verschwitzten Stirn.
»Nein, ich habe das Glockengießerhandwerk erlernt, auch wenn mich mein Meister vor der Gesellenprüfung davongejagt hat.« Randal reckte das Kinn. »Er wusste, dass ich eines Tages besser sein würde als er«, behauptete er, und je mehr er darüber nachdachte, desto vernünftiger erschien ihm der Gedanke. Diese dumme Nacht war nur eine Ausrede! In Wahrheit fürchtet er mich, dachte Randal, grinste zufrieden und sann auf Rache. Ja, der Meister sollte ihn kennenlernen und schon bald vor ihm erzittern.
London, Spätsommer 1226
E we raubt mir den Schlaf!« Nigel raufte sich das Haar. »Ich weiß nicht mehr
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