Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
ein Sommerregen sorgten für Abkühlung. Catlin musste an Flint denken. Er hatte in den letzen Tagen oft mit freiem Oberkörper gearbeitet. Eine wahre Augenweide war das Spiel seiner Muskeln gewesen. Catlins Mund wurde trocken. Wie es wohl sein mochte, das Gesicht an seine kräftige Brust zu legen, von seinen starken Armen gehalten zu werden und seine sonnengebräunte Haut zu berühren? Bis vor Kurzem hatte der junge Geselle noch in einem Kirchhof unter der glühenden Sonne gearbeitet, darum schimmerte sein Körper wie Bronze, wenn er schwitzte. Jeder Muskel seiner Arme, seines Rückens und seines Bauches trat deutlich hervor, sobald er etwas hob oder sich bewegte. Catlin leckte sich die ausgedörrten Lippen. Gewiss wäre es ein Leichtes für ihn gewesen, sie auf Händen zu tragen. Ihr Herz raste. Sie schloss die Augen und entsann sich des aufregenden Gefühles, das sie durchflossen hatte, als Flint sich an der engsten Stelle des düsteren Flures hinter der Werkstatt dicht an ihr vorbeigedrängt hatte. Er war kurz stehen geblieben und hatte seinen Körper an den ihren gepresst, sein Gesicht war ihr ganz nahe gewesen. Catlin hatte mit zittrigen Knien zu ihm aufgesehen und so tief in seine funkelnden Augen geblickt, dass ihr leuchtendes Blau sie zu verschlingen gedroht hatte. Als er dann den Kopf gesenkt und sein Atem ihren Hals gestreift hatte, war ihr Herz ins Stolpern geraten. Zu ihrer Verwunderung hatte sie es nicht in der Brust schlagen gefühlt, sondern tief unten im Magen.
Catlin fand nicht in den Schlaf, so aufgewühlt war sie bei dem Gedanken an diesen Mann.
Richard beobachtete Mabel und den König, wie sie in der Ferne wieder einmal turtelten. Henry war verrückt nach dem Mädchen, das war nicht zu übersehen. Richard kannte den jungen König bereits aus Kindertagen. Sein Großvater, der Maréchal, hatte sie zusammengeführt, als Richard neun Jahre alt gewesen war. Seit jener Zeit verband sie eine tiefe, ehrliche Freundschaft. Beide liebten sie Schach, weinselige Gelage, die Jagd mit Falken, Pferde, Hunde – und dasselbe Mädchen. Von Richards Zuneigung zu Mabel aber durfte Henry niemals etwas erfahren. Der junge König hatte großen Erfolg beim schönen Geschlecht und das auch schon hin und wieder zu nutzen gewusst. Bis Mabel aufgetaucht war. Seitdem gab es für ihn nur noch die junge Stickerin. Sie bedeutete ihm mehr als alle, die ihm bisher ihre Gunst geschenkt hatten. Ihr Zusammentreffen hier in St. Edmundsbury vor einigen Monaten war das erste von vielen weiteren gewesen. Unzählige Schäferstündchen hatte der König seither mit der Mabel verbracht. Richard blähte die Nasenflügel. Seine Gefühle waren Verrat. Verrat an seinem Freund und König. Und doch waren sie allgegenwärtig, schmerzten und schienen kaum erträglich. Seine Sehnsucht würde niemals erfüllt werden. Weder in diesem Leben noch im Jenseits.
»Irgendwann muss ich mich opfern und mir eine standesgemäße Braut suchen. Eine Prinzessin, die dem Land wichtige Verbündete beschert, eine stattliche Mitgift und einen Erben. Ein Mädchen von hoher Geburt, dazu erzogen, die Aufgaben einer Königin mit Erhabenheit und Güte zu erfüllen. Doch bis dahin werde ich meine Zeit mit jener Frau verbringen, die mein Herz erwählt hat.« Ein gewisser Trotz war aus den Worten des jungen Königs herauszuhören gewesen. »Noch bin ich frei!«, hatte er gerufen und die Arme ausgestreckt, als wolle er die ganze Welt umarmen, doch es war Richard gewesen, den er an die Brust gedrückt hatte. »Danke, dass Ihr Euch stets um alles kümmert«, hatte er ihm ins Ohr geflüstert, und Richard wäre vor Scham am liebsten im Erdboden versunken. Judas, ich bin ein Judas, hatte es in seinem Innern widergehallt, und doch hatte er sich ein Lächeln abgerungen. »Wir sind Freunde, Mylord«, hatte er geantwortet und gehofft, Henry werde nicht merken, wie aufgewühlt er war. Wir sind Freunde, aber Ihr verlangt zu viel von mir, denn ich liebe die, der auch Euer Herz gehört, hätte er sagen sollen, doch er schwieg.
»Ihr seid mein bester Freund. Darum vertraue ich Euch wie keinem anderen«, hatte Henry ihm versichert. »Ihr werdet mich niemals verraten, nicht wahr?«
Richard hatte entsetzt den Kopf geschüttelt. Ob Henry doch etwas ahnte? »Eher ginge ich ins Kloster«, murmelte er vor sich hin. Ganz gleich, wie sehr er sich danach sehnte, den Platz seines Freundes einzunehmen, Mabel würde niemals ihm gehören. Lancelot und König Artus fielen ihm ein. Troubadoure
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