Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
in einer ruhigen Seitengasse zu suchen?«
Catlin hob die Brauen. Obwohl die Sache durchaus ernst war, konnte sie sich eines Schmunzelns nicht erwehren. Dass der junge König ein Liebchen haben sollte, schien ihr nicht verwunderlich. Er war ein schmucker Bursche und einem amourösen Abenteuer wohl kaum abgeneigt. Ein Spaziergang in London mit der Gespielin am Arm, einem Mädchen aus hohem Hause vermutlich, das nicht oft aus den eigenen vier Wänden herauskam und dem er zeigen wollte, wie weltgewandt er war, das hörte sich ganz nach Henry an. »Das Stehlen bringt dich noch an den Galgen«, zischte Catlin. »Wenn sie dich erwischen, helfen meine Gebete auch nicht weiter.« Nicht einmal die Tatsache, dass sie den König höchstselbst kannte und ihr Vetter zu dessen engsten Beratern gehörte, würde Nigel retten können, wenn ihn der Büttel als Schuldigen überführte. »Wenn herauskommt, dass du … dass Quickhands den König bestohlen hat, wird man nicht ruhen, bis er gefasst ist.« Sie schüttelte tadelnd den Kopf. »Du solltest dich in den nächsten Wochen um deine Geschäfte und deine Familie kümmern und dafür sorgen, dass Quickhands zunehmend in Vergessenheit gerät.«
»Du hast ja recht.« Reumütig senkte Nigel den Kopf. »Ich hatte gleich ein ungutes Gefühl, doch ich konnte nicht widerstehen. Eine so gut gefüllte Börse und so schlecht bewacht! Nicht einmal ein Schwert hatte er umgegürtet.«
»Was vermutlich dein Glück war, denn er kann hervorragend damit umgehen«, entfuhr es Catlin. »Habe ich gehört …«, fügte sie rasch hinzu. »Immerhin ist er ein Edelmann.« Nigel sollte nicht glauben, sie könne in der Lage sein, seinen Kopf aus der Schlinge des Scharfrichters zu befreien, falls man ihn eines Tages aufknüpfen wollte. »Ich werde noch inbrünstiger für dich beten als sonst«, versprach sie. »Aber du musst achtsamer sein. Am besten hörst du ganz mit dem Stehlen auf.«
»Ich versuch’s«, erwiderte Nigel kleinlaut. »Versprochen.«
»Besser, du gehst jetzt. Wenn Ewe erfährt, dass du hier warst … Wie … wie geht es ihr und dem Kleinen überhaupt?«, fragte Catlin noch rasch, um nicht den Anschein von Gleichgültigkeit zu erwecken.
»Meinem Sohn geht es prächtig, er läuft bereits, ein wenig wacklig noch, aber …« Nigels Augen leuchteten vor Stolz. »Ewes Schwermut hingegen ist oft kaum zu ertragen«, fügte er hinzu und bedachte Catlin mit einem so traurigen Blick, dass ihr ganz schwer ums Herz wurde. »Aber wenn der Kleine die Arme nach mir ausstreckt und glucksend lacht, tritt mein Kummer in den Hintergrund.« Er holte tief Luft. »Jedem von uns legt der Herr Prüfungen auf. Ewe gehört zu den meinen.« Er lächelte dünn. »Und John?«
Catlin schüttelte den Kopf. »Ist wieder einmal fort, und wie üblich weiß ich nicht, wohin er aufgebrochen ist.« Sie seufzte. »Zum Glück haben wir genug zu tun.« Dass die Anwesenheit des neuen Gesellen sie in Aufruhr versetzte, erwähnte sie nicht. Bei dem Gedanken an Flint aber schoss ihr schon wieder die Röte ins Gesicht.
»Was hast du da zu suchen?«, hörte sie Flint plötzlich im Obergeschoss brüllen. »Du entschuldigst mich?« Sie legte Nigel eine Hand auf den Arm und blickte sich besorgt um. »Ich muss nachsehen, was dort oben los ist.«
»Sicher, geh nur!« Nigel verzog das Gesicht zu einem gequälten Lächeln, hauchte ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange und verließ die Werkstatt.
»Aber … ich … ich habe nicht …«, jammerte Corvinus, als Catlin die Kammer betrat, die sich der Junge mit Flint teilte. Er warf ihr flehentliche Blicke zu und versuchte sich aus Flints eisernem Griff zu befreien.
»Was ist denn geschehen?«, fragte sie mit lauter Stimme.
»Er war an meinen Sachen«, wetterte Flint. »Steckt seine Nase in Angelegenheiten, die ihn nichts angehen. Was hast du da?«, fauchte er und packte die Hand des Jungen mit seiner großen Pranke. »Gib her!«, zischte er und brachte eine Münze zum Vorschein. »Sieh nur, was er mir gestohlen hat!« Triumphierend zeigte er Catlin das Geldstück und schüttelte Corvinus wie einen Baum voll reifer Äpfel.
»Nein!« Die Augen des Jungen füllten sich mit Tränen. »Ich hab sie nicht gestohlen, und ich war auch nicht an seinen Sachen!«, rief er weinerlich. »Das ist nicht meine Münze. Bitte, Catlin, du musst mir glauben!«
»Immerhin gibt er zu, dass es nicht seine Münze ist«, triumphierte Flint.
Catlin musste an Nigel denken. Ein guter Mensch konnte sehr wohl ein
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