Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
nicht eben zuträglich, doch Abkühlung fand sie zurzeit nicht einmal nachts.
»Siehst du?«, sagte der Glockengießer. »Die Hilfe Gottes suchen, darin liegt die Lösung. Und mit dem Klang einer Glocke zu bitten ist so abwegig nun auch nicht, oder?«
»Nein, wohl nicht«, gab Catlin mürrisch zu. »Aber sie wird kaum rechtzeitig fertig sein, um noch etwas ausrichten zu können. Das weißt du selbst.«
»Gewiss weiß ich das – und der Lord Mayor ebenfalls. Will er den verzweifelten Bürgern doch vor allem zeigen, dass er nicht untätig bleibt.«
Plötzlich durchschaute Catlin den Zusammenhang. »Und wenn es regnet, während wir die Glocke fertigen, so wird es auf sie zurückgeführt werden und uns künftig von Nutzen sein. Das … das ist …« Sie schüttelte erneut den Kopf. »… ein kluger Einfall«, murmelte sie.
John hörte schon nicht mehr zu. Er hatte sich abgewandt und begann mit ersten Vorbereitungen für die neue Glockenrippe. »Ich habe endlich einen Gesellen gefunden!«, rief er ihr von seinem Arbeitstisch aus zu. »Und das trifft sich wohl, denn ich muss bald noch einmal fort. Zuerst aber will ich die Glockenrippe fertig haben. So könnt ihr mit der Arbeit beginnen, während ich weg bin.«
»Du willst schon wieder fort?« Vier, vielleicht fünf Monate war es erst her, seit er das letzte Mal weg gewesen war. »Wohin gehst du nur immer?«, keifte sie.
John erwiderte nichts.
Catlin fühlte sich leer. Ihr Gatte hatte Wort gehalten und sie kein einziges Mal angerührt. Er achtete sie und vermittelte ihr sein ganzes Wissen, aber er schenkte ihr nie auch nur das geringste Gefühl von Geborgenheit und Zuneigung. Ein Kuss auf den Scheitel zur Nacht, mehr hatte er nicht für sie übrig. Nicht seine Liebe ersehnte Catlin, vielmehr verletzte sie sein mangelndes Vertrauen. Dass er immer wieder ohne ein Wort der Erklärung verschwand, schmerzte sie. Auch begriff sie nicht, warum er so gut gelaunt und erwartungsvoll aufbrach und dann stets mürrisch und in sich gekehrt zurückkam.
Catlin fühlte sich unsagbar einsam. Sie vermisste ihren Vater und Elfreda, Winnifred und die Schmiede. Wie gern wäre sie zu Mabel gelaufen, wenn sie traurig war, oder hätte sich von Thomas zum Lachen bringen lassen. Doch St. Edmundsbury lag in unendlicher Ferne. Auch Nigel konnte sie nicht trösten, denn seit er mit Ewe ein Kind hatte, kam er kaum noch zur Werkstatt. Weder ihre Eifersucht noch ihre Missstimmung hatten sich durch die Geburt des gemeinsamen Sohnes gebessert, im Gegenteil. Wenn sie nicht teilnahmslos herumsaß, war Ewe zänkisch, kreischte herum, verdächtigte die Mägde des Diebstahls und Nigel des Ehebruchs. Obwohl sie zunächst niemandem gestattet hatte, ihr Kind auch nur zu berühren, hatte Nigel schon bald eine Kinderfrau suchen müssen, denn Ewe hatte den Säugling bereits in den ersten Tagen nach der Geburt vernachlässigt. Immer wieder hatte sie ihm die Brust verweigert. Sein jämmerliches Weinen ließ sie zunächst kalt, führte dann aber zu solchen Wutausbrüchen, dass Nigel zuweilen fürchtete, sie könne dem Jungen ein Leid antun. Ewe forderte ständig und gab nichts. Ja, sie drohte gar, sich in die Themse zu stürzen, wenn Nigel nicht tat, was sie verlangte. Fest davon überzeugt, dass er sie mit Catlin betrog, zeterte sie, wenn er zur Gießerei wollte. Um Streit mit ihr aus dem Weg zu gehen und weiterhin als Quickhands unterwegs sein zu können, beugte sich Nigel und mied die Gießerei. Obwohl es gefährlich war, weil Ewe ihm misstraute, entfloh er dem heimischen Herd so oft wie möglich, um zu stehlen. Quickhands war der Held der Armen und in aller Munde. Sogar ein Kopfgeld war auf ihn ausgesetzt. Catlin seufzte. Wenn ihm das nur nicht eines Tages zum Verhängnis wurde! Manchmal begegneten sie sich durch Zufall auf der Straße. War Ewe dann an seiner Seite, so spazierten sie mit einem höflichen Gruß aneinander vorbei. Nur wenn Nigel allein war, blieben sie ein Weilchen stehen, schwatzten und lachten wie früher. »Ich bereue nicht, sie geheiratet zu haben«, sagte Nigel einmal, doch so gut er als Dieb war, so schlecht erwies er sich als Lügner. Catlin fühlte sich ihm zutiefst verbunden, befanden sie sich doch beide in der gleichen misslichen Lage – verheiratet, ohne glücklich zu sein.
Als Catlin an diesem Nachmittag zum Markt ging, zog es sie auf dem Rückweg in jene Straße, in der das Haus ihres Onkels stand. Ein paarmal schon war sie in der Gegend umhergestreift, immer auf der Hut, um
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