Das Tor zur Ewigkeit: Historischer Roman (German Edition)
Dieb sein. Von Corvinus aber hatte sie einen solchen Vertrauensbruch nicht erwartet, noch dazu in ihrem Haus. Sie war tief enttäuscht.
»Nein, Catlin, ich war’s nicht!«, beteuerte Corvinus, als sie sich wortlos abwenden wollte. »Ich hab das Geld nicht gestohlen!«
Catlin ging auf ihn zu und sah ihm tief in die Augen. »Dann ist es doch deine Münze?«
Corvinus brach in Tränen aus, als wäre er noch immer sieben Jahre alt. Er schluchzte und schüttelte heftig den Kopf. »Nein, es ist seine, aber er hat sie …« Weiter kam er nicht.
»Ich sagte ja, dass es meine Münze ist!«, rief Flint voller Genugtuung. »Da der Bursche seinen Fehler nun zugegeben hat, sollten wir ihn nicht allzu hart bestrafen.« Er bedachte Catlin mit einem gewinnenden Lächeln, wandte sich erneut an Corvinus und hob bedrohlich die Stimme. »Solltest du dich allerdings ein weiteres Mal an meinem Eigentum vergreifen, dann … Wie ein Schraubstock hielt seine Hand den Arm des Jungen umklammert.
Corvinus wischte sich entschlossen über die Augen, riss sich von Flint los und rannte hinaus. Nicht einmal zum Nachtessen tauchte er auf.
Wir sollten ihn nicht allzu hart bestrafen, hatte Flint gesagt. Wir. Als hätte er mitzubestimmen. »Corvinus hat sich seine Buße selbst auferlegt«, murmelte Catlin wie nebenbei, als sie ihr Mahl ohne den Jungen einnahmen. »Ohne Essen ins Bett zu gehen ist Strafe genug für ihn. Er arbeitet hart …« Sie sah Flint nicht an. Wie traurig, dass sie sich offenbar in Corvinus getäuscht hatte! Sein Verrat, denn als solchen empfand sie den Diebstahl, schmerzte sie unendlich. Nie hatte sie ihm misstraut. Hatte stets mit ihm geteilt, was sie besaß, und ihm ohne Zögern ein Heim geboten. Trotzdem musste sie sich nun fragen, warum er sie hinterging.
Catlin blieb bis zum Ende der Mahlzeit nachdenklich. Vielleicht, so überlegte sie, musste Corvinus die Möglichkeit erhalten, sich hin und wieder einen Penny zu verdienen. Wohl war für Unterkunft und Verpflegung gesorgt, auch hatte er gut erhaltene Kleidung bekommen und musste darüber hinaus nicht einmal Lehrgeld zahlen, trotzdem schien er ein wenig Geld zu brauchen. Catlin nahm sich vor, Nigel zu fragen, was er davon hielt. Sie räumte die leer gelöffelten Holzschalen vom Tisch, wischte sie aus und stellte sie auf das Eisenregal an der Wand, wo die noch sauberen Schalen von John und Corvinus standen.
»Ich gehe zu Bett«, sagte sie und fuhr zusammen, als sie sich umwandte und Flint plötzlich dicht vor ihr stand. Das wirre Haar fiel ihm in die Stirn, als er auf sie herabsah, und sein kräftiges Kinn zeigte Entschlossenheit.
In der Küche flackerten nur das Herdfeuer und ein Talglicht auf dem Tisch, das sich in seinen blauen Augen spiegelte und sie zum Glitzern brachte wie Sterne am Nachthimmel.
»Du bist schön«, flüsterte er ihr mit rauer Stimme ins Ohr.
Catlin rang nach Atem. Was erlaubte er sich? Du bist schön, hatte er gesagt. Plötzlich drehte sich ringsum alles. Mit den Fingern umklammerte sie die Tischkante hinter sich, schloss die Augen und verharrte, ohne zu wissen, worauf sie wartete.
Eine gefühlte Ewigkeit lang stand Flint ganz dicht vor ihr. Sein Atem an ihrem Ohr jagte ihr Schauer über den Rücken. Als seine Lippen schließlich ihren Hals berührten, sanft und fordernd zugleich, schoss ihr Hitze wie von einem Blitz durch den Körper, entflammte jeden Winkel und hinterließ umso jähere Enttäuschung, als er sich aufrichtete und ihr den Weg freigab.
»Gute Nacht«, sagte er heiser.
Wortlos verließ Catlin die Küche und stieg mit zitternden Knien die Treppe hinauf. Als sie am oberen Treppenabsatz ankam, erblickte sie Corvinus, der die Tür zu seiner Kammer öffnete, hineinschlüpfte und sich umwandte.
»Ich habe ihn nicht bestohlen«, beteuerte er leise. Sein verzweifelter Blick traf Catlin unerwartet hart und verunsicherte sie.
Corvinus senkte den Kopf und schloss die Tür.
Vielleicht handelt es sich doch nur um eine dumme Verwechslung, und alles klärt sich noch auf, versuchte sich Catlin einzureden und betrat die eheliche Schlafkammer. Sie zog sich aus und glitt unter die rauen Leinenlaken, die nach Lavendel dufteten. Wie Hilda hatte Catlin Säckchen damit gefüllt, um Wanzen und anderes Ungeziefer fernzuhalten. Die Felldecke, die auf der Schlafstatt lag, seit es kühler geworden war, fühlte sich warm und weich an. Nach der Begegnung in der Küche war Catlin noch immer tief verwirrt. Sie strich mit der Hand über den Pelz, zog ihn
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