Das Totenhaus
Drogenmissbrauchinstituts. Das ist eine Abteilung des Gesundheits- und Sozialministeriums. Das machte ihn für uns sogar noch attraktiver als sein Lebenslauf. Unser erstes Problem war, wo wir ihn einsetzen sollten. Winston Shreve, der Leiter des Kulturwissenschaftlichen Instituts, wollte, offen gesagt, nichts mit Laverys Studie zu tun haben. Shreve ist eigentlich Altertumsforscher und hat sehr wenig Erfahrung mit moderner städtischer Kultur. Er wollte, dass wir Lavery in den Naturwissenschaften oder bei den Soziologen unterbringen.«
»Wollte ihn jemand?«
»Allerdings. Es gab sogar ein kleines Tauziehen um ihn. Professor Grenier, der Vorstand des Instituts für Biologie, war sehr daran interessiert, eine Stelle für Lavery zu schaffen, auf Grund der möglichen Relevanz für gesundheitsbezogene Studien von Drogenmissbrauch. Physische Langzeitprobleme von Heroinsüchtigen, angefangen von HIV-Infektion bis zum Zahnverfall. Es passte gut zu den medizinischen Einführungskursen, überlappte mit dem Chemie-Curriculum und band alles enger an die Sozialwissenschaften. Die Politologen wollten ihn auch. Lola organisierte eine regelrechte Kampagne, um uns zu überzeugen. Sie dachte, es wäre eine wundervolle Ausgangsbasis für eine Vielzahl von Analysen, zum Beispiel was den Umgang der Justiz mit dem Drogenproblem, das Tauziehen um Gelder zwischen Gefängniseinrichtungen und Behandlungsprogrammen und die politischen Reaktionen auf gesellschaftlichen Drogenmissbrauch angeht.«
»Wie haben Sie das Problem gelöst?«
»Es war eine der wenigen Schlachten, die Winston Shreve hier verloren hat. Dr. Lavery betrachtet sich als Kulturwissenschaftler, und folglich hielten wir es nur für richtig, ihn in der entsprechenden Abteilung unterzubringen. Genauso wie das Blackwell's IslandProjekt -«
»Hat Lavery etwas damit zu tun?«
»Nicht, dass ich wüsste. Aber es ist eine ähnliche Situation, weil Lavery eine interdisziplinäre Herangehensweise an seine Thematik entwickelte, sodass die anderen Institute jeweils ein Stück seines sehr großen und ziemlich leckeren Kuchens abbekamen. Geld für alle.«
»Wo liegt das Problem, Sylvia?«
»Vor einigen Monaten strengte die Regierung eine Klage an. Nicht bei Ihrer Behörde, sondern beim FBI. Südlicher Bezirk von New York. Es scheint, als ob eine beträchtliche Summe des Geldes, das er bekommen hatte, fehlt, ohne dass darüber Belege existieren. Das Forschungsbudget beinhalteten einen frei verfügbaren Betrag. Lavery hatte jährlich einhunderttausend Dollar zur Verfügung, die er verwenden konnte, wie er es für richtig hielt. Natürlich in Zusammenhang mit den Forschungsarbeiten.« Sie blätterte durch einige Dokumente, die wie Spreadsheets und Buchhaltungsunterlagen aussahen.
»Lavery behauptet, dass er damit Computerausrüstung und Bürowaren gekauft und seine studentischen Hilfskräfte für kleine Forschungsaufträge bar bezahlt hat. Es gibt keine Unterlagen, die das belegen, aber für die meisten Akademiker wäre das nicht überraschend.«
»Welche Theorien gibt es?«
Sylvia Foote starrte auf den Boden zwischen ihren Schuhen und Mikes Schreibtisch. »Drogen, Detective. Das, wovor alle von Anfang an am meisten Angst gehabt haben. Dass er mit den Forschungsgeldern Drogen - illegale Straßendrogen - gekauft hat, um seine Arbeiterbienen bei Laune zu halten. Vielleicht auch für den Eigengebrauch. Die Ermittlungen dauern noch an.«
»Aber wie -?«
»Claude Lavery ist ein Unikum. So eine Art Rattenfänger. Er ist intelligent und kreativ, aber gleichzeitig vermittelt er den Eindruck, antiakademisch zu sein. Er hat einen sehr lässigen Stil, und zu Beginn seiner Karriere, als er frisch von der London School of Economics kam, wagte sich Lavery in die schlimmsten Stadtviertel. Central Harlem, Bed-Stuy, East New York, Washington Heights. Er freundete sich auf der Straße mit Leuten an, die sonst niemanden in ihre Welt reinlassen würden. Deshalb war seine Arbeit so einzigartig. Er schrieb über Phänomene, die ihn zum Liebling der Urbanisten machte - sowohl der harten Regierungstypen als auch der eher >gefühlsduseligen< Soziologen. Und außerdem berichteten alle großen Zeitungen über seine Theorien, als ob sie das Evangelium wären.«
»Zum Beispiel?«
Foote nahm eine Kopie einer Titelstory der Washington Post aus ihrem Aktenkoffer. »Die Story zitiert Laverys Studien und unterstützt seine Behauptung, dass es das strikte Marihuanaverbot der Bundesregierung in den siebziger und
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