Das Totenhaus
Ungewöhnliches. Gute Freunde, Nachbarn -«
»Was meinen Sie damit, Nachbarn?«, fragte Mike.
»Claude wohnte in demselben Haus wie Lola, vierhundertsiebzehn Riverside Drive. Er wohnte ein Stockwerk über ihr. Direkt über ihrer Wohnung, wenn ich mich nicht irre.«
Ich sah Mike an und wusste, dass uns die gleichen Gedanken durch den Kopf gingen. Im Geiste überflog ich die Polizeiberichte von den Anwohnerbefragungen, die die Detectives am Tag nach dem Leichenfund durchgeführt hatten. Ich konnte mich nicht an bestimmte Namen erinnern, aber es hätte uns klar sein müssen, dass in einem Mietshaus so nahe am King's-College-Campus viele Dozenten oder Uniangestellte wohnen würden. Hatten die Polizisten mit jemandem namens Lavery gesprochen? Hatten sie in Erfahrung gebracht, wo er an dem Nachmittag, an dem Lola Dakota umgebracht wurde, gewesen war? Hatten sie die Namen der Hausbewohner mit denen von Lolas Familie oder Freundeskreis verglichen, um zu sehen, welche Beziehungen sie zu ihren Nachbarn hatte?
Chapman war die Ungeduld deutlicher anzumerken als mir. »Wo ist Lavery jetzt?«
»Ich habe keine Ahnung, Detective. Das letzte Mal habe ich ihn bei der Gedenkmesse am Freitagabend gesehen. So viele Leute sind über die -«
»Wer kann mir sagen, wo er jetzt, genau jetzt in dieser Minute ist? Heute.« Chapman war aufgestanden; er brannte darauf, diese höflichen akademischen Interviews zu Ende zu bringen und wieder im Dreck zu wühlen.
»Er ist vom College suspendiert worden und ist uns keine Rechenschaft über seinen Aufenthaltsort schuldig. Dr. Lavery bekommt weiterhin seinen Gehaltsscheck von uns, bis die Sache geklärt ist. Sollte die Bundespolizei Anklage gegen ihn erheben, nehme ich an, dass sich die Spielregeln für ihn ändern werden.«
»Was ist mit diesem anderen Typen, dem Biologen?«
»Professor Grenier? Was soll mit ihm sein?«
»Er ist auch jemand, mit dem ich gerne sprechen würde.«
Sylvia schob noch mehr Papiere herum. »Grenier hat bis Jahresanfang ein Freisemester. Können Sie sich noch ein oder zwei Wochen gedulden, Detective?«
»Ehrlich gesagt, Ms. Foote, kann ich mich keine einzige verdammte Minute mehr gedulden.« Er baute sich vor ihr auf und fuchtelte ihr mit dem Kugelschreiber vor dem Gesicht herum, während er sprach. »Sie bekommen eine achtundvierzigstündige Gnadenfrist, weil der Weihnachtsmann in die Stadt kommt und ich nichts dagegen machen kann. Diese Typen sind auf Ihrer Gehaltsliste; das sagten Sie gerade. Lola Dakota ist kälter als Stein und sechs Fuß unter der Erde. Finden Sie diese Leute, verstanden?
Ich will Skip Lockhart, Thomas Grenier und Claude Lavery spätestens bis zum Wochenende sehen. Setzen Sie Himmel und Erde in Bewegung und machen Sie dazu gefälligst Ihren humorlosen, verkniffenen Mund auf.«
Sylvias Papiere rutschten ihr vom Schoß, während sie Chapmans Gebrüll über sich ergehen ließ. Sie verteilten sich auf dem Boden, und ich half ihr, sie wieder aufzusammeln, während Mike fortfuhr, Instruktionen zu erteilen. Als sie uns verließ, war sie so wackelig auf den Beinen, dass ich sie bis zum Empfangsbereich hinaus am Arm führen musste.
»Wann kommst du von deinem Ausflug aufs Land zurück?«, fragte Mike, als ich zu seinem Schreibtisch zurückkam. Ich sah auf seinen Kalender. Heute war Dienstag und morgen war der erste Weihnachtsfeiertag. »Ich werde am Donnerstag zurück sein, es sei denn, du willst, dass ich meine Pläne ändere.«
»Spar dir die Mühe. Es ist sowieso niemand hier. Aber ich geh mal davon aus, dass wir das ganze nächste Wochenende beschäftigt sein werden, falls Foote ihre Leute zusammentrommelt und das Labor bis dahin die Testergebnisse hat.« Das Telefon auf seinem Schreibtisch klingelte, und er hob ab. »Es ist Laura, für dich.«
»Der Hausverwalter Ihres Wohnhauses hat gerade angerufen, Alex. Es gibt ein Problem.«
»Was für ein Problem?«
»Scheint, als ob man zwei Arbeiter in Ihrer Wohnung gefunden hat. Der Hausverwalter sagt, Sie müssen sofort nach Hause kommen und kontrollieren, ob irgendetwas fehlt.«
Ich knallte den Hörer auf die Gabel und sagte Mike, dass ich nach Hause müsse.
»Nicht ohne mich. Ich fahr dich.«
»Du hast zu tun. Ich schnapp mir ein Taxi.«
»Nicht, solange diese dicke kleine Verrückte, der du den Pass weggenommen hast, auf der Suche nach dir frei herumläuft. Du wohnst zwanzig Stockwerke über der Straße, mit zwei Portiers in jeder Schicht. Wie um alles in der Welt konnte jemand in dein
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