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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Traven
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die Römer? Die Konsuln sollen darauf bedacht sein, daß der Republik nichts Übles widerfahre. Und es könnte der Republik sicher sehr viel Übles widerfahren, wenn die Konsuln nicht verhindern würden, daß jemand, der keine Papiere hat, sein Heimatland wiedersieht.
    »Aber irgendein Papier müßten Sie doch haben. Sie können doch nicht gut den Rest Ihres Lebens ohne Papiere herumlaufen.«
    »Ja, das glaube ich auch, daß ich ein Papier haben müßte.«
    »Ich kann Ihnen kein Papier geben. Worauf denn? Alles, was ich Ihnen geben kann, ist ein Entlassungsschein aus dem Gefängnis. Mit dem Schein ist nicht viel los. Dann schon besser gar nichts. Und bei jedem andern Papier kann ich nur einsetzen, der Vorzeiger behauptet, der und der zu sein und von da und da herzukommen. Ein solches Papier ist aber wertlos, denn es ist kein Beweis; es sagt nur das aus, was Sie aussagen. Und Sie können natürlich erzählen, was Sie wollen, ob es wahr ist oder nicht. Selbst wenn es wahr ist, es muß bewiesen werden können. Es tut mir sehr leid, ich kann Ihnen nicht helfen. Ich habe Sie amtlich verwarnt, und Sie müssen das Land verlassen. Gehen Sie doch nach Deutschland. Das ist auch ein sehr schönes Land.«
    Warum sie mich alle nach Deutschland schicken, das möchte ich wissen.
     

10.
     
    Nun blieb ich erst einmal einige Tage in Paris, um abzuwarten, was geschehen würde. Geschehnisse können einen manchmal besser voranhelfen als die schönsten Pläne. Ich hatte ja jetzt ein gutes Recht, mir Paris anzusehen. Meine Fahrkarte war bezahlt, meine Verpflegung im Gefängnis hatte ich abverdient, so war ich dem französischen Staat nichts mehr schuldig, und ich durfte sein Pflaster ablaufen.
    Wenn man nun so gar nichts zu tun hat, kommt man auf allerlei überflüssige Gedanken. Einen so überflüssigen Gedanken bekam ich eines guten Tages, und er führte mich zu meinem Konsul. Daß es ganz hoffnungslos war, wußte ich im voraus. Aber ich dachte, es schadet doch nie etwas, wenn man Erfahrungen über Menschen sammelt. Alle Konsuln sind in dieselbe Form gegossen wie fast alle Beamten. Sie gebrauchen wörtlich denselben Redeschatz, den sie bei ihren Prüfungen vorweisen mußten, sie werden würdevoll, ernst, befehlshaberisch, devot, gleichgültig, gelangweilt, interessiert und tieftraurig bei denselben Gelegenheiten, und sie werden heiter, lustig, freundlich und geschwätzig bei denselben Gelegenheiten, ob sie im Dienste Amerikas, Frankreichs, Englands oder Argentiniens stehen. Zu wissen, genau zu wissen, wann sie eine dieser Gefühlsäußerungen zu zeigen haben, ist die ganze Weisheit, die ein solcher Beamter benötigt. Ab und zu vergißt aber jeder Beamte einmal seine Weisheit und wird für eine halbe Minute Mensch. Dann kennt man ihn gar nicht wieder, dann fängt er an, die innere Haut nach außen zu kehren. Der interessanteste Moment aber ist, wenn er plötzlich empfindet, daß die innere Haut bloßliegt und er sie rasch wieder verkrustet. Um diesen Moment zu erleben und um eine Erfahrung reicher zu werden, ging ich zum Konsul. Die Gefahr bestand, daß er mich verleugnete, mich der französischen Polizei offiziell übergab und mir dann die Möglichkeit genommen wurde, frei meiner Wege zu gehen, weil ich dann unter Polizeiaufsicht geriet und ich über jeden meiner Schritte, den ich tat oder zu tun gedachte, Rechenschaft abzulegen hatte.
    Zuerst konnte ich einmal den ganzen Vormittag warten. Dann wurde geschlossen. Am Nachmittag kam ich auch nicht an die Reihe. Unsereiner muß ja immer warten, wohin er auch kommt. Denn wer kein Geld besitzt, von dem nimmt man an, daß er wenigstens unermeßlich viel Zeit hat. Wer Geld besitzt, kann es mit Geld abmachen; wer kein Geld zum Hinlegen hat, muß mit seiner Zeit bezahlen und mit seiner Geduld. Denn wird man gar aufsässig oder äußert man seine Ungeduld in einer Weise, die unbeliebt ist, so weiß der Beamte so viele Wege zu gehen, daß man viermal mehr an Zeit bezahlen muß. So beläßt man es bei der Zeitstrafe, die einem auferlegt wird.
    Es saßen da eine ganze Reihe solcher, die ihre Zeit zu opfern hatten. Einige saßen schon Tage. Andre waren bereits sechsmal hin und her geschickt worden, weil dies fehlte und jenes nicht die vorschriftsmäßige Form oder richtige Uniform trug.
    Da kam eine kleine, unglaublich dicke Dame hereingeschossen. So unglaublich fett. Es war nicht auszudenken, wie fett sie war. In diesem Raume, wo die dürren Gestalten wartend auf den Bänken saßen, mit ihren

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