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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Traven
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mußten sie ja auch warten, bis sie an die Reihe kamen, genau nach der Nummerfolge.
    »Können Sie in einer halben Stunde noch mal hier vorsprechen, M’me, oder sollen wir den Paß zu Ihrem Hotel schicken?«
    Höflich ist man auf einem amerikanischen Konsulat.
    »Ich komme vorgefahren in einer Stunde. Unterschrieben habe ich den Paß ja schon drin.«
    Die Dame stand auf. Als sie nach einer Stunde wiederkam, saß ich immer noch da. Aber die fette Dame hatte ihren Paß.
    Hier endlich bekam ich meinen Paß. Das wußte ich. Der Sekretär brauchte ihn mir nicht in mein Hotel schicken, ich würde ihn gleich selber mitnehmen. Und hatte ich erst wieder einen Paß, so bekam ich auch wieder ein Schiff, wenn kein heimatliches Schiff, dann sicher ein englisches oder holländisches oder dänisches. Wenigstens bekam ich wieder Arbeit und hatte die Aussicht, doch mal ein heimatliches Schiff in irgendeinem Hafen anzutreffen, wo ein Deckarbeiter gebraucht wurde. Ich konnte ja nicht nur anstreichen, ich verstand auch Messing zu putzen; denn wenn man nichts anstreichen kann, dann wird immer Messing geputzt.
    Ich war wirklich zu voreilig in meinem Urteil. Die amerikanischen Konsuln sind besser als ihr Ruf, und was mir die belgische, die holländische und die französische Polizei über die Konsuln gesagt hatte, war nichts als nationale Eifersucht.
    Endlich kam dann doch der Tag und die Minute, wo meine Nummer fällig war und ich gerufen wurde. Meine dürren Bankgenossen hatten alle durch eine andre Tür zu gehen, um den Todesstreich zu empfangen. Ich machte eine Ausnahme. Ich wurde zu Mr. Grgrgrgs oder wie der Mann heißen mochte, gerufen. Das war der Mann, den ich in meinem Herzen zu sehen gewünscht hatte; denn er war der, der die Nöte eines Menschen, dessen Paß verlorenging, zu würdigen weiß. Wenn mir niemand auf der ganzen weiten Welt helfen würde, er wird es tun. Er hat der Goldbehangenen geholfen, um wieviel mehr und rascher wird er mir helfen. Es war ein guter Gedanke, der mich verleitet hatte, mein Glück doch noch einmal zu versuchen.
     

11.
     
    Der Konsul ist ein kleiner, hagerer Mann, ausgetrocknet im Dienst.
    »Setzen Sie sich«, sagt er und deutet auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch. »Womit kann ich dienen?«
    »Ich möchte einen Paß haben.«
    »Haben Sie Ihren Paß verloren?«
    »Nicht meinen Paß, aber meine Seemannskarte.«
    »Ah so, Sie sind ein Seemann?«
    Mit diesem Satz hat er seinen Ton geändert. Und dieser neue Ton, der mit einem so merkwürdigen Mißtrauen gemischt ist, hält nun eine Weile an und bestimmt den Charakter unsrer Unterhaltung.
    »Ich habe mein Schiff verloren.«
    »Wohl betrunken gewesen?«
    »Nein. Ich trinke nie einen Tropfen von diesem Gift. Ich bin knochentrocken.«
    »Sie sagten doch, Sie seien Seemann?«
    »Das bin ich auch. Mein Schiff ist drei Stunden früher abgefahren, als angesagt war. Sie sollte mit der Flut ’rausgehen, aber weil sie keine Ladung hatte, so brauchte sie auf die Flut keine Rücksicht nehmen.«
    »Nun sind Ihre Papiere also an Bord geblieben?«
    »Ja.«
    »Das konnte ich mir denken. Welche Nummer hatte Ihre Karte?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Wo war sie denn ausgestellt?«
    »Das kann ich so genau nicht sagen. Ich habe Küstenschiffe gefahren, Bostoner, N’Yorker, Balter, Philier, Golfer und sogar Wester. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wo die Karte ausgestellt war.«
    »Das konnte ich mir denken.«
    »Man guckt sich doch seine Karte nicht jeden Tag an. Ich habe sie nie angeguckt, solange ich sie hatte.«
    »Ja.«
    »Sie hat immer in meiner Tasche gesteckt.«
    »Naturalisiert?«
    »Nein. Im Lande geboren.«
    »Registriert worden, die Geburt?«
    »Weiß ich nicht, da war ich noch zu klein, als ich geboren wurde.«
    »Also nicht registriert.«
    »Das weiß ich nicht, habe ich gesagt.«
    »Aber ich weiß es.«
    »Dann brauchen Sie mich doch nicht fragen, wenn Sie alles wissen.«
    »Will ich vielleicht einen Paß haben?« fragt er darauf.
    »Das weiß ich nicht, Sir, ob Sie einen Paß haben wollen.«
    »Sie wollen doch einen haben, nicht ich. Und wenn ich Ihnen einen geben soll, so werden Sie mir doch wohl erlauben müssen, daß ich Fragen an Sie stelle. Nicht wahr?«
    Der Mann hat recht. Die Leute haben immer recht. Das ist auch ganz leicht für sie. Zuerst machen sie die Gesetze, und dann werden sie hingestellt, um den Gesetzen das Leben einzuflößen.
    »Haben Sie eine feste Adresse drüben?«
    »Nein. Ich wohne auf meinen Schiffen, oder wenn ich keine

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