Das Totenschiff
von Freiheit spricht, habe ich einmal das Wort Unfreiheit erwähnen hören. Dieses Wort fiel bei einer Riesendemonstration. Die Demonstration, an der die ganze Bevölkerung teilnahm, wo ehrsame Bürger sich nicht fürchteten, hinter den Flaggen der Kommunisten und Anarchisten zu gehen, und die Kommunisten sich nicht für zu vornehm hielten, hinter den Flaggen des Heimatlandes zu marschieren, war ein Protest gegen die Polizei, die versuchte, nach preußischem Muster eine Art Meldepflicht der Bewohner einzuführen. Das heißt, sie hatte nur vorgeschlagen, daß jeder Bürger einmal im Jahre seine Adresse auf der Polizei angeben sollte, seinen Namen, sein Alter und seinen Beruf. Aber die Bevölkerung witterte sofort den Pferdefuß und wußte beim ersten Wort, daß dies nur der Anfang der Meldepflicht sei.
Es gibt heute keinen Menschen auf der Erde, der nicht wüßte, was Deutschland bedeutet. Der Krieg mit England und Amerika war die beste Reklame für Deutschland und für deutsche Arbeit. Daß Preußen ein Land ist, wissen nur wenige Menschen auf Erden. Wenn man in Amerika und in vielen andern Ländern das Wort »Preußen« hört, ist es nie mit dem Lande Preußen oder mit seinen Bewohnern verknüpft, sondern es ist ein Synonym für eine Abwürgung der Freiheit und für polizeiliche Bevormundung.
Als ich in Barcelona war, kam ich eines Tages an einem großen Gebäude vorbei, und ich hörte Schreien, Heulen und Wimmern von Menschen aus jenem Gebäude dringen.
»Was ist denn da los?« fragte ich einen Mann, der gerade vorüberging.
»Das ist das Militärgefängnis«, sagte er mir.
»Aber warum schreien denn die Leute da so herzzerreißend?«
»Die Leute? Aber das sind doch die Kommunisten.«
»Die brauchen doch nicht zu schreien, wenn sie Kommunisten sind.«
»Ja, verstehen Sie denn nicht? Die werden jetzt geprügelt und gefoltert.«
»Warum denn aber?«
»Das sind doch Kommunisten.«
»Das haben Sie mir nun schon dreimal erzählt.«
»Darum werden sie doch totgeschlagen. Abends werden sie dann ’rausgeschafft und vergraben.«
»Sind denn das Verbrecher?«
»Nein, aber Kommunisten.«
»Darum werden sie gefoltert und totgeschlagen?«
»Ja, die wollen alles anders machen. Denen ist das alles nicht gut genug. Die wollen uns zu Sklaven machen, daß wir nicht mehr tun dürfen, was wir wollen. Der Staat soll alles allein machen, und wir sollen nur noch alle Arbeiter des Staates sein. Das wollen wir aber nicht. Wir wollen arbeiten, wann wir wollen, wie wir wollen, wo wir wollen und was wir wollen. Und wenn wir nicht arbeiten, sondern verhungern wollen, so wollen wir auch nicht, daß sich da jemand hereinmischt. Aber die Kommunisten wollen sich in unser ganzes Leben hineinmischen, und der Staat soll alles kommandieren. Ganz recht, daß man sie totschlägt.«
Soll ich darum Spanien verdammen? Ich denke nicht daran. Jedes Zeitalter und jedes Land, mag es noch so zivilisiert sein, hat seine Christenverfolgungen, seine Ketzerverbrennungen und Hexenfolterungen. In Amerika werden die Ketzer nicht besser behandelt als in Spanien. Das Traurige, das Beklagenswerte, aber echt Menschliche ist, daß diejenigen, die gestern noch selber die Verfolgten waren, heute die bestialischsten Verfolger sind. Und unter den bestialischen Verfolgern sind heute auch schon die Kommunisten. Die Nachdränger, die Weiterdränger werden immer verfolgt. Der Mann, der vor fünf Jahren in Amerika eingewandert ist und gestern sein zweites Bürgerpapier erhalten hat, ist heute der Mann, der am wildesten schreit: »Macht die Grenzen fest zu, laßt niemand mehr herein.« Und doch sind sie alle nur Einwanderer und Söhne von Einwanderern, der Präsident nicht ausgeschlossen…
Warum soll ich der Arbeit nachlaufen? Da steht man vor dem, der die Arbeit zu vergeben hat, und wird behandelt wie ein zudringlicher Bettler. »Ich habe jetzt keine Zeit, kommen Sie später wieder.« Wenn der Arbeiter aber einmal sagt: »Ich habe jetzt keine Zeit oder keine Lust, für Sie zu arbeiten«, dann ist es Revolution, Streik, Rüttelung an den Fundamenten des Gemeinwohls, und die Polizei kommt, und ganze Regimenter von Miliz rücken an und stellen die Maschinengewehre auf. Fürwahr, es ist manchmal weniger beschämend, um Brot zu betteln als um Arbeit zu fragen. Aber kann der Skipper seinen Eimer allein fahren, ohne den Arbeiter? Kann der Ingenieur seine Lokomotiven allein bauen, ohne den Arbeiter? Aber der Arbeiter hat mit dem Hute in der Hand um Arbeit zu betteln,
Weitere Kostenlose Bücher