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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Traven
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muß dastehen wie ein Hund, der geprügelt werden soll, muß auf den blöden Witz, den der Arbeitvergebende macht, lachen, obgleich ihm gar nicht zum Lachen zumute ist, nur um den Skipper oder den Ingenieur oder den Meister oder den Vorarbeiter oder wer immer das Machtwort »Sie werden eingestellt!« zu sagen die Befugnis hat, bei guter Laune zu halten.
    Wenn ich so untertänig um Arbeit betteln muß, um sie zu erhalten, kann ich auch um übriggebliebenes Mittagessen in einem Gasthof betteln. Der Hotelkoch behandelt mich nicht so wegwerfend, wie mich schon Leute behandelt haben, bei denen ich um Arbeit nachfragte.
    Also wozu der Arbeit nachrennen, wenn die Sonne so golden scheint, überall ein Platz zum Schlafen ist und alle Menschen freundlich und höflich sind, kein Polizist etwas von mir erfahren will, und kein Cop meine Taschen durchsucht nach dem verlorengegangenen Rezept, wie man biegsames Glas machen könne.
    Ich bekam Appetit auf Fisch, und ich dachte, die einfachste Art, Fisch zu essen, ist, ihn zu haben; und um ihn zu haben, mußte ich ihn fangen. Brot, Suppe und ein Hemd konnte man sich schon leicht verschaffen; aber um Angelgerätschaften betteln zu gehen, das schien mir doch zu modern zu sein. Ich paßte deshalb auf, als ein Passagierschiff ankam und die Reisenden das Zollhaus verließen. Da bekam ich einen Koffer in die Hand gedrückt, und als ich diesen Koffer seinem Besitzer im Hotel wieder ablieferte, bekam ich drei Peseten in die Hand ausbezahlt.
    Mit diesem Geld ging ich in einen Laden und kaufte eine Angelschnur und Haken. Das machte so ziemlich einen Peseta aus. So nebenbei erzählte ich dem Verkäufer, daß ich ein Seemann sei, der sein Schiff verloren habe. Da lachte der Verkäufer, wickelte meine Sachen recht sorgfältig in Papier und überreichte sie mir mit einem »Favor!«. Ich wollte nach meinem Zahlzettel greifen, aber der Verkäufer lächelte, zerriß mit einer eleganten Geste den Zettel, warf ihn mit einer andern eleganten Geste über seine Schulter hinweg, verbeugte sich höflich und sagte: »Ist bezahlt, danke sehr! Viel Vergnügen beim Fischen, mein Herr.«
    Und in diesem Lande sollte ich hinter der Arbeit herlaufen? Dieses Land sollte ich verlassen? Ich wäre ja nicht wert, daß mich die spanische Sonne bescheint.
     

18.
     
    Ich saß auf der Kaimauer und hielt meine Schnur ins Wasser. Kein Fisch biß an, obgleich ich sie so gut mit Blutwurst fütterte, die ich von einem holländischen Schiff mitgebracht hatte, wo ich zum Abkochen, zum Essen mit der Mannschaft, gewesen war. Dieses »Abkochen gehen« auf die Schiffe, das Mitessen mit der Mannschaft eines Schiffes, das im Hafen liegt, ist auch nicht immer eine sehr würdige Sache. Der Arbeiter, der gute Arbeit hat oder wenigstens glaubt, in guter Stellung zu sein, fühlt sich gegenüber dem Arbeiter, der keine Arbeit hat, zuweilen sehr überlegen. Und diese Überlegenheit läßt er den Arbeitslosen auch fühlen. Der Arbeiter ist des Arbeiters größter Teufel. »Na, ihr Beachcombers, ihr Herumtreiber, habt ihr wieder nischt zu fressen? Da wollt ihr wohl wieder hier ’raufkommen auf unsern Kasten, und da sollen wir euch wohl wieder was zu fressen geben, hä? Aber bloß zwei dürfen ’rauf. Ihr macht uns zu viel Schweinerei.«
    Da durften wir dann nicht in das Quartier kommen, oft genug. Nein, wir mußten vor der Tür stehenbleiben. Dann schütteten die Mitproletarier alles, was sie auf den Tellern übrig hatten und was sie manchmal schon im Munde gehabt hatten, in die große Blechschüssel, in der die Suppe geholt worden war, dann schoben sie uns die Schüssel ’raus, und wir mußten auf dem Verdeck essen, wo wir auf dem Boden zu hocken hatten. Wenn wir dann um einen Löffel bitten mußten – ich hatte, durch lange Erfahrung gewitzigt, immer meinen eignen in der Tasche –, dann sagten sie, Löffel bekämen wir nicht. Wir fischten dann mit den Fingern in dem Brei herum. Oder aber sie warfen uns ein paar Löffel zu und warfen sie so geschickt, daß sie in den Brei fielen, so daß wir sie mit unsern dreckigen Fingern herausfischen mußten, was den Leuten ein höllisches Vergnügen zu bereiten schien.
    Und diese Mannschaften waren noch nicht die schlimmsten. Da waren welche, die uns hinunterjagten vom Schiff, weil wir Spitzbubengesindel seien. Oder andre, die vor unsern Augen die schönsten Schüsseln voll Fleisch, Gemüse und Kartoffeln ins Meer schütteten und ganze Brote hinterherwarfen, nur um uns zu ärgern. Es war dann

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