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Das Totenschiff

Das Totenschiff

Titel: Das Totenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B. Traven
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wenn sie nicht künstlich erzeugt und dann tüchtig geschürt würde. Man sollte eigentlich meinen, daß Menschen vernünftiger seien als Hunde. Hunde lassen sich manchmal gegen ihresgleichen hetzen, manchmal aber auch nicht. Menschen dagegen lassen sich immer aufeinander hetzen, und das »Kschksch« braucht gar nicht einmal geschickt gemacht zu werden. Es braucht nur überhaupt gemacht zu werden, da gehen sie auch schon aufeinander los wie blödsinnig geworden…
    Verflucht noch mal, es beißt auch nicht ein einziges Luder an und die Büchse Blutwurst ist gleich alle. Das kommt davon, wenn man döst und seine Gedanken woanders hat, statt auf das Geschäft zu achten. Sobald ich eine Portion beieinander habe, gehe ich ’raus, mache mir ein Feuer an und brate die Fische an einem Stock. Es ist einmal etwas andres als die immer in Öl gebackenen Fische.
    Wieder nichts dran und die Wurst abgebissen. Wie lange sitze ich hier? Sicher schon drei Stunden. Aber Fischen beruhigt die Nerven. Man hat nicht das Gefühl, daß man seine Zeit verplempert. Es ist nützliche Arbeit, die man verrichtet: Man trägt seinen Teil zur Volksernährung bei, denn wenn ich die Fische esse, die ich hier jetzt fange, brauche ich nicht woanders die Nudelsuppe aufessen. Die kann dann gespart werden, und am Ende des Jahres findet man die gesparte Nudelsuppe in irgendeiner Statistik wieder, wo die Zeile, in der die gesparte Nudelsuppe erwähnt ist, mehr kostet als alle weggeschütteten Suppen des ganzen Landes zusammengenommen.
    Ich könnte die Fische aber auch verkaufen gehen. Vielleicht kriege ich so viel zusammen, daß ich zwei Peseten machen kann. Dann könnte ich wieder einmal zwei Nächte in einem Bett schlafen.
    Siehst du, mein Freundchen, da habe ich dich doch endlich erwischt. Du bist es, der mir die ganze Blutwurst abgefressen hat. Schwer ist er ja nicht. Ein halbes Kilo. Ich glaube, nicht ganz. Dreihundertfünfzig Gramm. Da zappelst du aber schön. Ich kann das nachfühlen. Ich habe auch schon verschiedene Male so gezappelt, wenn mich ein Cop am Kragen hatte. Aber es hilft nichts, ich habe Appetit auf Fische.
    Ja, das Wasser ist so schön kühl und die Sonne so schön warm. Hier hat mich auch noch kein Cop am Kragen gehabt. Und ich weiß, wie es tut. Die dreihundertfünfzig Gramm tun es auch nicht. Wenn du wenigstens ein Kilo hättest. Und weil du doch angebissen hast und mir die Freude machtest, mich hier nicht so vergeblich sitzenzulassen, und weil ich liebe, frei zu sein, viel mehr liebe als satt zu essen zu haben, und weil die Sonne lacht und das Wasser blaut, und weil du ein spanisches Fischlein bist: Hoppla, wirst nicht erschossen, schwimm wieder lustig los und freue dich deines munteren Lebens. Lauf nicht gleich einem andern ins Netz. Zieh ab und grüß dein Mädel.
    Da plätschert er und schwimmt er und lacht, daß ich es bis auf die Mauer höre. Grüß dein Mädel!… Ach schiet…
    »Sie sind mir aber auch ein Fischersmann«, sagt da jemand hinter mir. Ich drehe mich um und sehe einen Zollbeamten stehen, der mir die ganze Zeit zugesehen hat und jetzt laut lacht.
    »Aber da sind doch mehr Fische drin, das Wasser ist ja nicht so klein«, sage ich, während ich wieder Blutwurst an den Haken spieße.
    »Sicher sind da mehr drin. Das war doch aber ein ganz guter dicker Fisch.«
    »Sicher war er das, er hatte ja meine ganze Büchse Blutwurst im Magen, da soll er nicht dick sein.«
    »Warum fischen Sie denn da überhaupt, wenn Sie so gute Fische wieder hineinwerfen?«
    »Damit, wenn mich heute abend jemand fragen sollte, was ich den ganzen Tag getan habe, ich sagen kann, ich hätte gefischt.«
    »Dann fischen Sie nur weiter«, sagt der Zollbeamte und geht.
    Daß Fischen betätigte Philosophie ist, verstehen die wenigsten Menschen. Es ist doch nicht des Habens wegen, daß man lebt, sondern des Wünschens, des Wagens, des Spielens wegen, daß man lebt.
    Da schon wieder einer. Hätte ich nur den vorigen nicht gehen lassen, dann wäre nun schon bald eine Portion zusammen. Aber ich werde doch keine Klassenunterschiede einführen. Den andern habe ich frei gelassen, nun kann ich doch diesen nicht seiner Dummheit wegen zum Tode verurteilen. Das heißt, Dummheit verdient eigentlich immer und überall die Todesstrafe, vorläufig wird sie nur mit Sklaverei bestraft. Wenn ich wüßte, ich bekäme noch drei solche, wie du einer bist, dann müßtest du hier dran glauben. Ich habe Appetit auf Fische. Aber du bist ein köstliches kleines lebendiges

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